Projekt

Kurzexpertise „Alternativrechnungen zur Potenzialschätzung“

Auftraggeber: Bundesministerium der Finanzen
Projektlaufzeit: Februar 2020 – März 2020
Bearbeitender Bereich:
Projektteam: Göttert, Marcell / Reif, Magnus / Wollmershäuser, Timo

Fragestellung und Ziele des Projekts

In der Diskussion um die Schuldenbremse wird insbesondere auch deren prozyklische Wirkung kritisiert. Diese ergibt sich u.a. aus den unterjährigen Neuberechnungen des Produktionspotenzials, welche die jeweils aktuellen Kurzfristprojektionen der Bundesregierung als Datenrundlage haben. Wenn sich die gesamtwirtschaftlichen Erwartungen von einem Schätzzeitpunkt zum nächsten ändern, ergeben sich zumindest am aktuellen Rand auch neue Schätzergebnisse für das Produktionspotenzial. Dies hat entsprechend Auswirkungen auf die Berechnung der Produktionslücke und damit der Konjunkturkomponente des staatlichen Finanzierungssaldos.

In der Potenzialschätzung werden als Dateninput sowohl die Ist-Daten als auch die Kurzfristprojektion der Bundesregierung genutzt. Für den mittelfristigen Projektionszeitraum erfolgt im Einklang mit der EU-einheitlichen Methode eine Extrapolation der Trends. Die Kurzfristprojektionen werden als Dateninput in der Potenzialschätzung verwendet, um die (erwarteten) Entwicklungen am aktuellen Rand zu berücksichtigen. Allerdings gehen dadurch auch die Prognoseunsicherheit und damit die Prognosefehler in die Potenzialschätzung ein. Durch die genutzten ökonometrischen Filterverfahren erhalten die Prognosewerte ein vergleichsweise hohes Gewicht bei der Berechnung des Potenzialpfads, insbesondere für die in der Haushaltsaufstellung und Planung relevanten Jahre.

Methodische Vorgehensweise

Im Rahmen der Kurzexpertise wird untersucht, ob ein abweichender Dateninput mit einer geringeren Anzahl prognostizierter Daten die Revisionseigenschaften für den Prozess der Haushaltsaufstellung sowie der mittelfristigen Finanzplanung verbessern könnte. Auf Grundlage des abweichenden Dateninputs werden für die Potenzialschätzung der Jahre 2013 bis 2019 Alternativrechnungen erstellt und die sich jeweils ergebenden Revisionen von Produktionspotenzial und Produktionslücken insbesondere für den jeweiligen Finanzplanungszeitraum analysiert.

Auf Grundlage der Prognosedaten der Bundesregierung sowie des aktuellen Methodenstandes werden folgende Berechnungen für das Produktionspotenzial, die Produktionslücken sowie die Konjunkturkomponenten erstellt:

  • Variante I: derzeitige Berechnungsmethode (Benchmark)
  • Variante II: nur Ist-Daten (T−1) und Extrapolation der Trends gemäß aktueller Methodik
  • Varianten III bis V: Datengrundlage bis einschließlich T und sequentielle Hinzunahme der Prognosejahre bis T+2.

Datenquellen

Der Auftraggeber stellt für sämtliche Projektionen (Jahresprojektion, Frühjahrsprojektion, Herbstprojektion) der Jahre 2013 bis 2019 den von der Bundesregierung verwendeten Dateninput in elektronischer Form als Excel-Datei zur Verfügung. Zudem stellt der Auftraggeber die aktuelle Spezifikation (aus der Jahresprojektion 2020) der von der Bundesregierung zur Potenzialschätzung verwendeten Methode der EU-Kommission zur Verfügung.

Ergebnisse

Basierend auf dem vom Bundesministerium der Finanzen bereitgestellten Dateninput kommen wir zu dem Ergebnis, dass sich die durchschnittliche Revision des Produktionspotenzials im Finanzplanungszeitraum durch die Nichtberücksichtigung der Kurzfristprognose leicht verringern lässt. Die geringste mittlere Revision ergibt sich für Modell Variante II, bei der nur Ist-Daten verwendet werden. Bei teilweiser Berücksichtigung der Kurzfristprognose (Variante III) steigt die mittlere Revision etwa, liegt jedoch noch unter der der Benchmark-Methode (Variante I). Insgesamt sind zwischen den Berechnungsverfahren jedoch relativ gering und entspricht in etwa 0,02 Prozentpunkten. Maßgeblich für dieses Ergebnis dürfte die geringe mittlere Revision der Trend-TFP im gleichen Zeitraum sein. Auch hier sinkt die mittlere Revision bei teilweiser oder kompletter Nicht-Berücksichtigung der Kurzfristprognose unter den Wert der Benchmark-Methode. Für die Produktionslücke ergibt sich hingegen ein gegensätzliches Bild. In diesem Fall ist die mittlere Revision bei kompletter Nicht-Berücksichtigung der Kurzfristprognose am höchsten und nimmt mit Berücksichtigung prognostizierter Jahre ab. Für die daraus resultierende Konjunkturkomponente im Rahmen der EU-Fiskalregeln sowie die Konjunkturkomponenten der Schuldenbremse stellt sich die Sache ähnlich dar. So ist jeweils die mittlere Revision bei Modell Variante I am geringsten, gefolgt von Modell Variante II, wohingegen die von Modell Variante III am größten ist.

 

Kontakt
Prof. Dr. Timo Wollmershäuser, Stellvertretender Leiter des ifo Zentrums für Makroökonomik und Befragungen

Prof. Dr. Timo Wollmershäuser

Stellvertretender Leiter des ifo Zentrums für Makroökonomik und Befragungen und Leiter Konjunkturprognosen
Tel
+49(0)89/9224-1406
Fax
+49(0)89/907795-1406
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