Stellungnahme -

ifo Standpunkt 257: Das Klimageld ist nicht das richtige Instrument

In der Debatte über Klimaschutz und höhere CO2-Preise wird immer wieder gefordert, dass die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung an die Bürger zurückfließen sollten, statt staatliche Ausgabenprogramme zu finanzieren. Dazu soll auch in Deutschland ein Instrument eingesetzt werden, das sich großer Popularität erfreut: das Klimageld. Es sieht vor, die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung in Form eines einheitlichen Pro-Kopf-Betrags an die Bevölkerung zurückzuerstatten. Eine aktuelle Studie des DIW rechnet bei einem CO2-Preis von 60 Euro zum Beispiel mit 14 Mrd. Euro Einnahmen, damit könnte ein Klimageld von rund 170 Euro pro Person und Jahr bezahlt werden. Befürworter erhoffen sich vom Klimageld mehr politische Unterstützung für höhere CO2-Preise. Dazu trage bei, dass das Klimageld eine soziale Komponente habe und zugunsten von Menschen mit geringen Einkommen umverteile.

Bild Clemens Fuest für Standpunkte
Infografik, ifo Standpunkt 257, ifo Institut, 01/2024

Verzerrende Steuern senken ist besser

Ob es in Deutschland zu einer Erstattung der Einnahmen aus dem steigenden CO2-Preis kommt, ist angesichts der Probleme beim Einhalten der Schuldenbremse im Bundeshaushalt 2024 fraglich. Aber wenn es dazu kommt, sollte man dafür – anders als viele derzeit vehement fordern – nicht das Instrument des Klimageldes wählen. Es wird zwar eingefordert, ist aber nicht das beste Instrument zur Rückerstattung der CO2-Steuereinnahmen. Das hat folgende Gründe. Grundsätzlich ist es fragwürdig, wenn der Staat Pauschalzahlungen an alle Bürger tätigt, wenn stattdessen auch verzerrende Steuern wie die Einkommensteuer oder die Mehrwertsteuer gesenkt werden könnten. Letzteres würde die Bürger stärker entlasten, weil die Kosten der steuerlichen Verzerrungen reduziert werden.

Mit Einnahmen aus Umweltsteuern nicht nur die Umwelt zu schützen, sondern auch andere, verzerrende Steuern zu senken, wird auch als „doppelte Dividende“ von Umweltsteuern bezeichnet. Das Klimageld würde auf diese doppelte Dividende verzichten. Hinzu kommt, dass das Klimageld die Erstattung der Steuereinnahmen mit Umverteilungsanliegen vermengt, die man lieber mit anderen bestehenden Instrumenten verfolgen sollte. Wegen der Umverteilungswirkungen würde es viele Verlierer geben, so dass zweifelhaft ist, ob die vom Klimageld erhoffte politische Unterstützung für Klimapolitik funktioniert.

Die zwei Effekte des CO2-Preises

Um das zu verstehen, muss man zwei Effekte berücksichtigen, die ein CO2-Preis hat einen Verteilungseffekt und einen Arbeitsanreizeffekt.

  1. Der Verteilungseffekt ergibt sich aus der unterschiedlichen Belastung der Haushalte. Die ärmsten Haushalte tragen dabei prozentual eine höhere Last, da der CO2-Anteil in den Konsumausgaben dort am höchsten ist. Aber auch alle anderen Haushalte werden durch die Mehrkosten belastet.
  2. Der Arbeitsanreizeffekt wirkt – und zwar als Anreiz, weniger zu arbeiten – aus folgendem Grund: Von jedem verdienten Euro können sich Bürger nun weniger leisten, weil durch den CO2-Preis viele Güter teurer werden. Steuern auf Einkommen und Konsum machen Erwerbsarbeit weniger attraktiv, denn der Genuss von Freizeit wird nicht besteuert. Die anhaltende Debatte über das Bürgergeld zeigt, dass viele Menschen der Auffassung sind, Arbeit lohne sich zu wenig. Diese Problematik wird durch einen CO2-Preis noch weiter verschärft, ganz unabhängig von der erwünschten Lenkungswirkung des CO2-Preises in Richtung Klimaschutz.

Klimageld betont Verteilungseffekte, aber auf fragwürdige Weise

Eine sinnvolle Rückerstattung der Einnahmen durch den CO2-Preis an die Bürger sollte sowohl die Arbeitsanreiz- als auch die Verteilungswirkungen adressieren. Der Vorschlag des Klimageldes betont aber einseitig Verteilungseffekte, und das auf fragwürdige Art und Weise. Ein Klimageld würde dazu führen, dass ärmere Haushalte nicht nur für den CO2-Preis kompensiert werden, sondern mehr zurückbekommen, als sie an CO2-Preisen zahlen. Haushalte mit mittleren und höheren Einkommen würden hingegen nicht voll für die Mehrbelastung kompensiert. Nach einer Studie des Umweltökonomen Rick van der Ploeg würden 70% der Bürger in Deutschland durch eine Kombination aus CO2-Preis und Klimageld schlechter gestellt. Dass das die politische Unterstützung für Klimapolitik erhöhen wird, erscheint unplausibel.

Gleichzeitig würde das Klimageld nicht die Arbeitsanreizproblematik adressieren. Es würde nichts daran ändern, dass der CO2-Preis die Arbeitsanreize vermindert. In der Summe wäre die Kombination aus CO2-Preis und Klimageld also ein zusätzliches Instrumentarium, das auf sehr spezielle Weise umverteilt und Arbeitsanreize senkt. Der Kuchen würde etwas schrumpfen, aber auch etwas gleicher verteilt werden.

Man mag eine Erhöhung der Umverteilung generell als wünschenswert beachten. Allerdings hat der Staat hierfür schon das bestehende Steuer- und Transfersystem, mit dem er jederzeit mehr umverteilen könnte, wenn auch um den Preis verschlechterter Arbeitsanreize. Wenn die Politik die Umverteilung verstärken will, kann sie das mit diesen Instrumenten gezielt tun, dafür braucht sie das Klimageld nicht.

Bessere Alternativen zum Klimageld

Wie könnte man den Bürgern die Einnahmen aus dem CO2-Preis besser zurückerstatten? Konzeptionell könnte man anstreben, verschiedene Einkommensniveaus gemäß ihrer durchschnittlichen Belastung durch den CO2-Preis zu kompensieren. Dies hätte zur Folge, dass sowohl den Verteilungs- als auch den Arbeitsanreizeffekten des CO2-Preises entgegengewirkt wird. Im Rahmen einer aktuellen Studie zeigen wir, dass die beste Anpassung darauf abzielen würde, sowohl die zusätzliche Verzerrung des Arbeitsangebots durch den CO2-Preis als auch die Verteilungswirkungen zu neutralisieren. Die Anreize, CO2 einzusparen, bleiben natürlich erhalten, da sich die Kompensation an statistischen Vergangenheitswerten des CO2-Verbrauchs verschiedener Einkommensniveaus orientieren würden. Eine konkrete Möglichkeit der Umsetzung wäre eine Kombination aus leichter Erhöhung des Grundfreibetrags in der Einkommensteuer, Senkung der Grenzsteuersätze sowie einer Erhöhung des Bürgergeldes.

Eine andere Option wäre eine Umsatzsteuersenkung. Die Umsatzsteuersenkung wäre wohl noch einfacher, aber etwas weniger zielgenau. Außerdem wäre unklar, in welchem Umfang sie an die Konsumenten weitergereicht wird. Überwälzungsfragen stellen sich grundsätzlich allerdings auch bei Einkommensteuern.

Diese Lösungen berücksichtigen allerdings nicht, dass Haushalte mit gleichen Einkommen sehr unterschiedlich von CO2-Steuer kompensiert werden, so wird eine deutlich zielgenauere Entlastung als erreicht als beim Klimageld. Das könnte die politische Bereitschaft, dem Gesamtpaket zuzustimmen, im Vergleich zum Klimageld stärken. Außerdem könnte man sich den erheblichen Aufwand sparen, der mit der administrativen Umsetzung eines völlig neuen Transferinstruments verbunden ist.

Man hört gelegentlich den Einwand, die Bürger und Wähler würden nur beim Klimageld verstehen, dass die Einnahmen aus dem CO2-Preis zurückfließen, bei einer Senkung bestehender Steuern nicht. Das überzeugt nicht. Eine Kombination aus Erhöhung des Grundfreibetrags, des Bürgergeldes und eine Senkung der Grenzsteuersätze wären für alle Bürger am Ende des Monats auf Gehaltszettel und Konto sichtbar. Wenn man noch deutlicher sein will, könnte man den Entlastungsbetrag auch explizit auf der Gehaltsabrechnung als Klima-Bonus ausweisen.

Clemens Fuest 
Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft
Präsident des ifo Instituts

Dominik Sachs
Professor für Makroökonomik und Finanzwissenschaft an der Universität St. Gallen

Erschienen unter dem Titel „Das Klimageld ist nicht das richtige Instrument“, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16. Dezember 2023

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