Stellungnahme -

ifo Standpunkt 253: Mindestlohn jetzt auf 14 Euro erhöhen?

Als die Politik den gesetzlichen Mindestlohn in Deutschland einführte, warnten Kritiker, dass dieser zum Gegenstand eines Überbietungswettbewerbs in Wahlkämpfen werden könne. Die Lösung war eine aus Vertretern von Gewerkschaften und Arbeitgebern gebildete Kommission, die Mindestlohnerhöhungen vorschlägt und sich dabei am Tariflohnindex orientiert. Der Mindestlohn sollte der allgemeinen Lohnentwicklung folgen, nicht umgekehrt, und einige Jahre ging das auch gut. Im Bundestagswahlkampf 2021 aber – der Mindestlohn lag bei 9,60 Euro – forderten einige Parteien einen Anstieg auf 12 Euro. Die Ampelkoalition setzte diese Forderung 2022 um.

Bild Clemens Fuest für Standpunkte

Direkter Eingriff der Politik unerwünscht

Umso befremdlicher sind aktuelle Vorstöße aus Politik und Gewerkschaften, den Mindestlohn auf 14 Euro hochzuschrauben. Wenn die Regierung hier erneut eingreift, wäre die vernünftige Idee, den Mindestlohn aus der Tagespolitik herauszuhalten, endgültig gescheitert. Und die Kommission würde zur Farce. Gibt es triftige Gründe, das in Kauf zu nehmen? Befürworter der 14 Euro verweisen auf die hohe Inflation. Und es stimmt, dass bei einer Orientierung am Tariflohnindex der Inflationsausgleich erst mit Verzögerung beim Mindestlohn ankommt. Doch einen Anstieg auf 14 Euro rechtfertigt das nicht, wie ein einfaches Rechenbeispiel zeigt.

Mindestlohn steigt stärker als die Inflation

Seit Januar 2021 hat die Inflation zugenommen, 2023 ist ein Wert von rund 6% zu erwarten. Die Tariflöhne dürften in ähnlichem Umfang steigen. In diesem Fall hätten die Tariflöhne von Anfang 2021 bis Ende 2023 um rund 10% zugelegt und die Verbraucherpreise um 19%. Der Mindestlohn von aktuell 12 Euro ist hingegen um 26% gestiegen, also noch stärker als die Inflation. Bei den geforderten 14 Euro würde der Anstieg gegenüber Anfang 2021 sogar 47% betragen. Mit einem Inflationsausgleich ist das nicht zu rechtfertigen.

Zwar ließe sich argumentieren, steigende Löhne seien wegen der Fachkräfteknappheit erforderlich. In der aktuellen Krisensituation ist allerdings unklar, ob die Knappheit überall anhält. Ist das nicht der Fall, wachsen bei starken Mindestlohnerhöhungen auch die Risiken von Arbeitsplatzverlusten.

Clemens Fuest
Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft
Präsident des ifo Instituts

Erschienen unter dem Titel „Brauchen wir in Deutschland einen Mindestlohn von 14 Euro?“, WirtschaftsWoche, 6. Oktober 2023

ifo Standpunkt
Clemens Fuest
ifo Institut, München, 2023
ifo Standpunkt Nr. 253
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