Stellungnahme -

ifo Standpunkt 252: Ein Zinsdeckel wäre keine gute Idee

Derzeit machen steigende Zinsen Schuldnern das Leben schwer. Wer Schulden mit flexiblen Zinsen hat oder eine Wohnung erwerben will, muss mit Zinsen von 4% und mehr rechnen. Vor zwei Jahren noch war es oft weniger als die Hälfte. Ähnliches gilt für Menschen, die einen Kredit für die Anschaffung eines Autos aufnehmen oder einfach ihr Konto überziehen. In Österreich wurde nun gefordert, der Staat solle eingreifen und einen Zinsdeckel einführen. Zinsen für die Überziehung eines Girokontos sollen auf maximal 5% begrenzt werden, bei Immobilienkrediten soll der Höchstzins 3% betragen. Was ist davon zu halten?

Bild Clemens Fuest für Standpunkte

Höhere Zinsen dienen der Inflationsbekämpfung

Zunächst sollte man daran erinnern, warum die Zinsen derzeit steigen. Der Hauptgrund liegt darin, dass die Europäische Zentralbank die Inflation bekämpfen muss. Sie erhöht die Zinsen, damit private Haushalte weniger Immobilien kaufen, weniger Häuser gebaut werden, die Nachfrage nach Bauleistungen und letztlich die Preise für diese Leistungen sinken. Zinserhöhungen sollen außerdem dazu führen, dass weniger Konsumentenkredite aufgenommen werden, die Nachfrage nach Konsumgütern sinkt und auch die Preise dieser Güter zumindest weniger schnell steigen. Wenn man durch einen staatlichen Zinsdeckel verhindert, dass die Zinserhöhungen der Geldpolitik Haushalte erreichen, die sich verschulden, beeinträchtigt man die Wirkung der Geldpolitik und erschwert die Inflationsbekämpfung.

Ob ein Zinsdeckel diese Wirkung hat, ob er also wirklich die Kreditvergabe erhöht, hängt allerdings von seiner Konstruktion ab. Die einfachste Form des Zinsdeckels würde Banken schlicht verbieten, Kredite mit höheren Zinsen zu vergeben. In diesem Fall würden die Banken reagieren, indem sie weniger Kredite vergeben, jedenfalls dann, wenn auf Kreditmärkten Wettbewerb herrscht. In diesem Fall würde die Inflationsbekämpfung eher unterstützt, aber es wäre das Gegenteil von dem erreicht, was die österreichischen Politiker vorschlagen. Sie wollen Haushalte nicht von Krediten ausschließen, sondern den Zugang erleichtern. Deshalb beschränkt ihr Vorschlag sich nicht allein auf eine Zinsregulierung. In Österreich soll der Zinsdeckel als Subvention gestaltet werden. Ein staatlicher Zuschuss soll den Unterschied zwischen dem Zins, den die Banken verlangen und dem Niveau des Zinsdeckels überbrücken. Finanzieren wollen sie diese Subvention mit einer zusätzlichen Gewinnsteuer für Banken. Bei dieser Gestaltung würden die privaten Haushalte tatsächlich mehr Kredite erhalten. Das kann allerdings zu Fehlanreizen führen. Wenn die Banken wissen, dass die Differenz zwischen dem von ihnen verlangten Zins und dem Zinsdeckel bezahlt wird, haben sie Anreize, sehr hohe Zinsen zu verlangen. Diesen Fehlanreiz kann man nicht ganz vermeiden. Man kann ihn bei der Gestaltung des Zinsdeckels aber berücksichtigen, beispielsweise durch eine Begrenzung der Empfänger der vergünstigten Kredite, der Kreditsumme und der Höchstsubvention auf beispielsweise 2%.

Zinsdeckel könnte Wettbewerbsfähigkeit Österreichs verringern

Für die Inflationsbekämpfung würde das bedeuten, dass die Regierung den Bemühungen der Notenbank entgegenwirkt, durch höhere Zinsen die Kreditvergabe zu beschränken. Wie würde die Geldpolitik darauf reagieren? Eine Möglichkeit besteht darin, dass sie die Zinsen umso mehr erhöht. Die Kreditnehmer unter den privaten Haushalten würden dadurch wegen des Zinsdeckels nicht erreicht, aber die Unternehmen umso mehr. Sie würden Investitionen reduzieren und möglicherweise Beschäftigung abbauen. Die Last der Inflationsbekämpfung durch Verringerung der Güternachfrage würde auf weniger Schultern verteilt. Da Österreich ein kleines Land ist, ist eine solche Reaktion der Europäischen Zentralbank allerdings eher unwahrscheinlich. Sie orientiert sich an der Inflation im Euroraum insgesamt, nicht der Inflation in einzelnen Mitgliedstaaten. Die Inflation des Euroraums insgesamt würde durch den österreichischen Zinsdeckel kaum beeinflusst. Für Österreich wären die Folgen allerdings spürbar. Das Land würde für längere Zeit mit höherer Inflation leben als ohne den Zinsdeckel. Das hat makroökonomisch problematische Folgen. Die preisliche Wettbewerbsfähigkeit Österreichs bei international handelbaren Gütern und im Bereich des Tourismus würde abnehmen.

Besser wäre zielgenaue Unterstützung

Hinzu käme die Folge der zusätzlichen Gewinnsteuer auf Banken. Situationsabhängige Sondersteuern für Banken einzuführen, würde die Unsicherheit für Unternehmen insgesamt erhöhen und das Vertrauen in die Berechenbarkeit der österreichischen Steuerpolitik beeinträchtigen. Vor allem bei Banken kann eine solche Steuer Stabilitätsrisiken mit sich bringen, wie die Ankündigung einer ähnlichen Steuer in Italien gezeigt hat. Wenn die Politik Haushalten helfen will, die durch den plötzlichen Zinsanstieg in Not geraten, welche Instrumente sollte sie einsetzen? Es wäre möglich, eine Härtefallregel vorzusehen, nach der Haushalte, die steigende Hypothekenzinsen nicht selbst tragen können, staatliche Hilfen erhalten. Das wäre fiskalisch deutlich günstiger und zielgenauer als ein Zinsdeckel. Und es würde verhindert, dass die Zinssubvention die Inflation in die Höhe treibt. Vor allem Menschen mit niedrigen Einkommen haben ein hohes Interesse daran, dass die Inflation bekämpft wird.


Clemens Fuest
Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft
Präsident des ifo Instituts

Erschienen unter dem Titel „Ein Zinsdeckel wäre keine gute Idee“, Der Standard, 17. August 2023

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Clemens Fuest
ifo Institut, München, 2023
ifo Standpunkt Nr. 252
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