Stellungnahme -

ifo Standpunkt 251: Die Aktienrente – wie sie das demografische Problem der deutschen Rentenversicherung abmildern kann

Der demografische Wandel stellt die Rentenversicherung vor große Herausforderungen: Wenn immer weniger Beitragszahler immer mehr Rentnern gegenüberstehen, müssen Beitragssätze steigen oder Rentenleistungen sinken. Falls man beides vermeiden will, muss die Rentenkasse von außen gestützt werden. Bislang geschieht das vor allem durch Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt – eine Methode, die zunehmend an ihre Grenzen stößt. Die Bundesregierung will nun mit der so genannten Aktienrente dazu beitragen, die Rentenfinanzen zu stabilisieren.

Bild Clemens Fuest für Standpunkte

Die Aktienrente soll wie folgt funktionieren: Aus dem Bundeshaushalt wird jedes Jahr ein gewisser Betrag bereitgestellt, der in Aktien oder andere Finanzanlagen fließt. Die Erträge aus dem so angesparten Kapital sollen die Rentenkasse stützen und den Anstieg der Rentenbeiträge begrenzen. Die Verwaltung des Vermögens übernimmt der staatliche Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung (KENFO). Dieser Fonds verwaltet schon das Geld, das für die Lagerung des Atommülls aus den stillgelegten Kernkraftwerken zurückgelegt wurde.

Ausgleich wegfallender Beitragszahler

Was ist davon zu halten? Prinzipiell ist es richtig, auf eine sinkende Anzahl von Beitragszahlern in der umlagefinanzierten Rentenversicherung zu reagieren, indem ein Sparkapital gebildet wird. Steht weniger Humankapital zur Verfügung, um die Renten zu erwirtschaften, und will man sinkende Einkommen im Alter oder steigende Beiträge vermeiden, braucht es eine andere Form von Kapital, um die Lücke zu füllen.

Das lässt sich auf unterschiedliche Weise umsetzen. Im Prinzip könnte man verlangen, dass mündige Bürger selbst Ersparnisse bilden. Die Politik hat das Sparen fürs Alter im Rahmen der Riesterrente sogar staatlich gefördert. Die Erfahrungen damit sind jedoch ernüchternd. Hohe administrative Kosten und gesetzlich vorgeschriebene Garantien haben zur Folge, dass die Rendite unattraktiv ist. Menschen mit niedrigen Einkommen fällt es zudem schwer, aus ihrem schmalen Budget etwas für die Altersvorsorge abzuzweigen. Außerdem sind für sie die Anreize erheblich, sich bei sinkenden Renten eher darauf zu verlassen, dass der Sozialstaat das Einkommen im Alter aufstockt. Bildet der Staat diese Ersparnisse, entsteht dieses Problem nicht.

Möglichkeiten staatlicher Kapitalbildung

Allerdings stellt sich auch bei staatlicher Kapitalbildung die Frage, woher die Mittel kommen sollen. Hier gibt es drei Möglichkeiten. Der Staat kann sich verschulden und das aufgenommene Geld investieren. Er kann Steuern erhöhen. Oder er kann öffentliche Ausgaben kürzen und die Mittel in die Aktienrente umlenken.

Die Finanzierung durch Schulden entlastet die Rentenkasse nur dann, wenn die Anlageerträge höher sind als die Zinsen, die der Staat für die Kredite zahlen muss. Deutschland gilt im Euroraum nach wie vor als der solideste Schuldner; die Zinsen auf deutsche Staatsanleihen sind daher niedrig. Diesen Vorteil kann Deutschland bei der Aktienrente nutzen.

Bei Aktien ist langfristig eine Rendite erwartbar, die spürbar über der Verzinsung deutscher Staatsanleihen liegt. Damit die Renditedifferenz ausreicht, um die Rentenkasse spürbar zu entlasten, muss der Staat allerdings entweder hohe Schulden aufnehmen oder sehr lange ansparen. Das ifo Institut hat anhand des schuldenfinanzierten Konzepts des Deutschen Bürgerfonds gezeigt, dass eine Investition von überschaubaren 0,5% vom BIP über die Zeit der gesamten Erwerbstätigkeit hinweg zu Alterseinkünften in Höhe von 16.000 Euro in heutigen Preisen führen würde. Die heute junge Generation könnte also spürbar von einer schuldenfinanzierten Aktienrente profitieren. Aber es dauert eben, bis die Erträge anfallen. Und man muss zwischenzeitliche Schwankungen der Aktienkurse aushalten.

Enge Finanzierungsspielräume

Bei einer Finanzierung durch höhere Steuern oder geringere Ausgaben geht es schneller, Ersparnisse zu bilden. Das hat aber den Preis, dass heute auf anderes verzichtet werden muss. Die Bundesregierung finanziert die Aktienrente über den Bundeshaushalt. Dabei bleibt offen, ob es ohne die Aktienrente höhere Staatsausgaben, niedrigere Steuern oder geringere Schulden gegeben hätte, selbst wenn man berücksichtigt, dass die Ausgaben für die Aktienrente als finanzielle Transaktion mit Schulden über die Grenzen der Schuldenbremse hinaus finanziert werden können.

Was passiert, wenn trotzdem nicht mehr Schulden aufgenommen werden und Steueränderungen, die über den Koalitionsvertrag hinausgehen, politisch nicht durchsetzbar sind? Dann wäre das Ergebnis, dass die Politik die Aktienrente in erster Linie durch Ausgabenumschichtungen finanziert. Wie das zu bewerten ist, hängt davon ab, welche Ausgaben entfallen. Sinken öffentliche Investitionen, würde eine Zukunftsvorsorge die andere verdrängen.

Was die Verwaltung der Mittel für die Aktienrente angeht, sind zwei Aspekte entscheidend. Erstens gilt es, die administrativen Kosten gering zu halten. Bei dem oft als Vorbild zitierten schwedischen Altersvorsorgefonds AP7 liegen die Managementkosten bei 0,05% pro Jahr. Das ließe sich durch eine Kooperation mit privaten Fondsanbietern auch in Deutschland erreichen. Zweitens sollte es bei der Anlagestrategie des Fonds keine politischen Vorgaben geben, die dem Ziel, die Rente finanziell wirksam zu stützen, widersprechen. Wenn das alles klappt, kann die Aktienrente einen Beitrag leisten, die Altersversorgung zu stabilisieren.

Clemens Fuest
Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft
Präsident des ifo Instituts

Erschienen unter dem Titel „So wird die Aktienrente zu einem Erfolg“, WirtschaftsWoche, 1. September 2023

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Clemens Fuest
ifo Institut, München, 2023
ifo Standpunkt Nr. 251
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