Stellungnahme -

ifo Standpunkt 217: Die politische Agenda für die Zeit nach der Pandemie

13.04.2020

Viele Unternehmen, Arbeitnehmer und Selbständige in Deutschland haben derzeit schwer zu kämpfen, um mit den Beschränkungen des Shutdown zurechtzukommen. Trotzdem ist es an der Zeit, darüber nachzudenken, was danach kommt.

Bild Clemens Fuest für Standpunkte

Wie kann die Politik die wirtschaftliche Erholung unterstützen? Bund und Länder haben ja bereits schwindelerregende Summen bereitgestellt, um die Krise abzufedern. Allein der Nachtragshaushalt des Bundes sieht zusätzliche Ausgaben in Höhe von 122,5 Mrd. Euro vor. Bei einem erwarteten Rückgang der Steuereinnahmen um 33,5 Mrd. Euro ist eine Neuverschuldung von 156 Mrd. Euro geplant. Hinzu kommen Garantien für Notkredite an Unternehmen in Höhe von 357 Mrd. Euro.

Diese Mittel fließen aber vorrangig in Maßnahmen der akuten Krisenbekämpfung – in Ausgaben für die direkte Pandemiebekämpfung und in Überbrückungshilfen für Selbständige und Unternehmen während der Zeit, in der ihre Geschäfte stillgelegt sind. Für einen neuen Aufschwung nach der Krise sind zusätzliche Impulse nötig. Doch wie könnten diese aussehen?

Erholung in zwei Phasen

Man darf damit rechnen, dass in den nächsten Wochen einige Auflagen aufgehoben werden. Viele hoffen dann auf eine schnelle wirtschaftliche Erholung. Das ist jedoch wenig realistisch. Die Erholung wird voraussichtlich in zwei Phasen ablaufen. Die erste beginnt mit den ersten Shutdown-Lockerungen und dauert an, solange das Virus weiter grassiert und weder eine Impfung noch ein effektives Medikament zur Behandlung von Covid-19 verfügbar ist – also mindestens bis Ende 2020.

Internationale Lieferketten berücksichtigen

In dieser Phase bleibt die wirtschaftliche Entwicklung gehemmt. Erstens dürften bestimmte Beschränkungen in Kraft bleiben, etwa für Reisen und Versammlungen. Zweitens sind viele Wertschöpfungsketten zerbrochen, und es dauert, bis Unternehmen wieder beliefert werden können. Viele Wertschöpfungsketten sind grenzüberschreitend; Beschränkungen müssen auch im Ausland und für den grenzüberschreitenden Lieferverkehr aufgehoben werden. Während dieser Phase haben klassische Konjunkturprogramme zur Stärkung der Nachfrage nur wenig Wirkung, weil die Probleme vor allem auf der Angebotsseite der Wirtschaft liegen.

Die Politik sollte sich daher in der ersten Phase auf folgende Maßnahmen konzentrieren: Erstens wäre es sinnvoll, sich mit den direkten europäischen Nachbarn (noch besser EU-weit) abzustimmen, dass bei Lockerungsmaßnahmen internationale Lieferketten berücksichtigt werden. Sonst besteht die Gefahr, dass Belange des Auslands unter den Tisch fallen. Zweitens sollten Grenzkontrollen so gestaltet werden, dass Gütertransporte mit entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen passieren können, selbst wenn der Personenverkehr beschränkt bleibt.

Steuerliche Liquiditätshilfen gewähren

Drittens sollte man bei den Hilfen für Selbständige sowie kleine und mittlere Unternehmen noch einmal nachlegen. Sinnvoll wäre, zusätzlich zu den aktuellen Zuschüssen steuerliche Liquiditätshilfen zu gewähren: 2020 erwartete Verluste müssten dergestalt mit Erträgen des Jahres 2019 verrechenbar sein, dass es noch im Sommer 2020 zu einer Steuererstattung kommt. Bei der Umsetzung ist es wichtig, sowohl bilanzierende, also typischerweise größere Firmen, als auch kleine Unternehmen und Selbständige einzubeziehen. Das sollte man durch Zuschüsse zu den Betriebskosten ergänzen, die in künftigen Steuererklärungen berücksichtig werden, also ebenfalls rückzahlbar sind.

Für die Staatskasse würde das lediglich eine Verlagerung von Steuereinnahmen in die Zukunft bedeuten, es wäre keine permanente Last. Die Kehrseite besteht darin, dass auch die Unternehmen nur vorübergehend entlastet werden. Aber die Möglichkeit der Streckung über mehrere Jahre und der Umstand, dass keine Zinsen anfallen, helfen erheblich. Die Maßnahmen sind außerdem zielgenau. Unternehmer und Selbständige, die steuerpflichtige Einkünfte aus anderen Quellen haben, brauchen diese Hilfen nicht und werden sie wohl auch nicht beantragen.

Private Investitionen fördern

Die zweite Phase der Erholung beginnt, wenn alle Beschränkungen aufgehoben worden sind. Ab diesem Zeitpunkt sollte die Politik breitere Impulse für öffentliche und private Investitionen setzen - und dies früh genug ankündigen. Bei den öffentlichen Investitionen geht es insbesondere um den Ausbau der Verkehrs-, Kommunikations- und Energienetze.

Damit sich dies in nicht allzu ferner Zeit umsetzen lässt, ist es notwendig, die Planungsprozesse bereits heute mit Hochdruck voranzutreiben. Priorität sollten Projekte haben, deren Planung bereits läuft und die 2021 beginnen können. Bessere Bedingungen für private Investitionen ließen sich durch eine grundlegende Reform der Einkommen- und Körperschaftsteuer sowie der Gewerbesteuer erreichen. Wichtiger denn je ist nach Corona zudem eine Energiepolitik, die verlässlich Umwelt- und Klimaschutz mit der Verfügbarkeit von Industriestrom zu wettbewerbsfähigen Preisen verbindet.

 

Clemens Fuest
Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft
Präsident des ifo Instituts

Erschienen unter dem Titel „Ökonomische Erholung kommt nun in zwei Phasen “, WirtschaftsWoche, 9. April 2020, S.43.

ifo Standpunkt
Clemens Fuest
ifo Institut, München, 2020
ifo Standpunkt Nr. 217
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