Stellungnahme -

ifo Standpunkt Nr. 186: Deutschland kann mit Emmanuel Macron gemeinsam die Eurozone reformieren

Die Wahl von Emmanuel Macron zum französischen Staatspräsidenten hat in Deutschland Erleichterung ausgelöst, aber auch eine Debatte über Macrons Pläne zur Reform der Eurozone. Kritiker werfen Macron vor, er wolle die Währungsunion gegen die Interessen Deutschlands zu einer Transferunion umbauen. Seine Anhänger fordern dagegen, Deutschland solle Macron unterstützen, sonst drohe bei den nächsten Wahlen ein Sieg des Front National. Beide Positionen sind überzogen. Man sollte Macron Zeit geben, seine Vorschläge über die Reform der Eurozone weiterzuentwickeln und zu erläutern. Gleichzeitig ist es bei aller Freude über den Sieg des EU-freundlichen Präsidenten und Kooperationsbereitschaft nicht die Aufgabe der deutschen Politik dafür zu sorgen, dass er auch die nächste Wahl gewinnt. Das kann nur er selbst sicherstellen.

Bild Clemens Fuest für Standpunkte

Eine enge Kooperation zwischen Frankreich und Deutschland ist gleichwohl entscheidend für die Zukunft Europas. Diese Kooperation wird nur gelingen, wenn es möglich ist, offen sowohl über Gemeinsamkeiten als auch über Differenzen zu sprechen. Die Voraussetzungen dafür sind gut. Macron ist unideologisch, und er hat brillante Berater, die Deutschland gut kennen.

Für die Eurozone fordert Macron, ein gemeinsames Budget zu schaffen. Macron will, dass der neue Eurohaushalt erstens Investitionen finanziert, um das Wachstum zu beleben, zweitens soll er in Wirtschaftskrisen stabi-lisierend wirken. Verschuldung zur Finanzierung dieses Budget soll möglich sein.

Um eine demokratische Kontrolle dieses Budgets sicherzustellen, will Macron ein Eurozonen-Parlament einrichten. Dieses Parlament könnte sich aus den Mitgliedern des Europaparlaments zusammensetzen, die aus Euro-Mitgliedstaaten kommen. Eine Variante wäre, dass die nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten Abgesandte in das Eurozonen-Parlament schicken.

Dass dieser Plan in Deutschland Begeisterung auslöst, kann man nicht erwarten. Die zusätzlichen Ausgaben würde wohl zu einem überproportionalen Teil Deutschland finanzieren müssen. Öffentliche Investitionen in Europa zu fördern, ist eigentlich Aufgabe des EU-Haushalts.
Auch das Eurozonen-Parlament ist aus deutscher Perspektive keine sehr attraktive Idee. Vor allem wäre die Sorge groß, dass sich dort schnell eine Koalition von Ländern bildet, die eine notfalls schuldenfinanzierte Ausdehnung der Ausgaben durchsetzt.

Ist diese Sorge berechtigt? Man kann davon ausgehen, dass ein Land höhere Ausgaben umso eher unterstützen wird, je niedriger sein Pro-Kopf-Einkommen ist. Man nehme an, dass jedes Land entsprechend seiner Bevölkerungsgröße nationale Parlamentarier ins Europarlament entsendet. In diesem Fall würden rund 42 Prozent der Sitze an Länder mit unterdurchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen gehen. Um eine Mehrheit zu erreichen, müssten sie die Abgeordneten aus Frankreich, dem Land mit dem nächsthöheren Einkommensniveau, auf ihre Seite ziehen. Frankreich würde über 19 Prozent der Sitze verfügen. Den französischen Abgeordneten käme deshalb eine Schlüsselrolle zu. Wenn das Eurozonenparlament aus den Abgeordneten der Euro-Mitgliedstaaten im Europäischen Parlament gebildet würde, wäre das Ergebnis das gleiche. Das erklärt, warum ein solches Parlament für Frankreich attraktiver erscheint als für Deutschland. Natürlich kann es sein, dass die Abgeordneten nicht entlang nationaler Grenzen entscheiden. Aber dass Deutschland Nettozahler wäre, ist absehbar. Wir sollten nicht vergessen, dass den Menschen in Deutschland bei der Gründung der Währungsunion versprochen wurde, dass sie keine Transferunion wird.

Emmanuel Macron hat allerdings auch gefordert, für die Staaten der Eurozone ein glaubwürdiges Insolvenzverfahren für Staaten einzuführen, wenngleich er das im Wahlkampf leider nicht betont hat. Deutschland sollte das aufgreifen und folgenden Kompromiss vorschlagen: Es wird eine Pflicht zur Eigenkapitalunterlegung von Staatsanleihen in der Bankenregulierung eingeführt. Nur wenn die Banken aufhören, ohne Eigenkapital heimische Staatsanleihen zu kaufen, ist es glaubwürdig, dass es bei Finanzkrisen einzelner Mitgliedstaaten zur Haftung privater Gläubiger kommt. Außerdem wird zwar kein Budget mit permanenten Transfers eingeführt, aber ein neuer Fonds, der Ländern nicht nur mit Krediten, sondern mit Transfers hilft, wenn sie in eine tiefe Wirtschaftskrise geraten – beispielsweise einem Einbruch des Bruttoinlandsprodukts um mehr als drei Prozent innerhalb von zwei Jahren. Die Eurozone braucht ein System zum Auffangen großer Schocks, nicht permanente Umverteilung. Diese Lösung würde nicht die Interessen einzelner Länder oder Politiker bedienen, sondern ganz Europa voranbringen.

Clemens Fuest
Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft
Präsident des ifo Instituts

Erschienen unter dem Titel „Give Emmanuel Macron time to develop eurozone reforms“, Financial Times, 23. Mai 2017, S. 9.

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Clemens Fuest
ifo Institut, München, 2017
ifo Standpunkt Nr. 186
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