Stellungnahme -

ifo Standpunkt Nr. 180: Die ökonomischen Konsequenzen des Mr. Trump

Die überraschende Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten hat bei vielen Politikern in Europa eine Art Schockstarre ausgelöst. Das ist verständlich. Dennoch sollten die Europäer möglichst bald beginnen, darüber nachzudenken, wie sich der Sieg von Trump wirtschaftlich und politisch auf Europa auswirken wird. Welche wirtschaftspolitischen Änderungen sind von Donald Trump zu erwarten, und wie sollte Europa darauf reagieren?

Bild Clemens Fuest für Standpunkte

Erstens wird Trump einen restriktiveren Kurs in der Handelspolitik einschlagen. Er will das transpazifische Handelsabkommen TPP stoppen und das Freihandelsabkommen mit Mexiko und Kanada, NAFTA, kündigen und neu verhandeln. Importe aus Mexiko sollen mit Zöllen belegt werden. Das würde viele amerikanische, aber auch deutsche Unternehmen treffen, die in Mexiko für den US-Markt produzieren oder aus Mexiko Vorprodukte beziehen. Die bereits erfolgte Abwertung der mexikanischen Währung sorgt hier allerdings für einen gewissen Ausgleich. Geschädigt sind letztlich die Beschäftigten in Mexiko, deren Lebensstandard in Folge der Abwertung fällt. Zu TTIP hat Trump sich nicht klar geäußert. Man kann aber nicht erwarten, dass er die Verhandlungen vorantreiben wird. Für Europa folgt daraus, dass für die Zukunft erhoffte Zuwächse im Handel mit den USA wegfallen. Das heißt aber nicht, dass die vorhandenen Handelsströme schrumpfen müssen. Sie könnten sogar zunehmen. Das hat mit den Plänen Trumps in der Fiskal- und Steuerpolitik zu tun.

Denn er hat zweitens angekündigt, die Einkommensteuern und die Steuern auf Unternehmensgewinne deutlich zu senken und gleichzeitig die Investitionen in die öffentliche Infrastruktur auszuweiten. Das würde das Defizit im US-Staatshaushalt drastisch erhöhen. Es besteht durchaus die Gefahr, dass diese Politik das Vertrauen der Investoren in die Solidität der US-Staatsfinanzen erschüttert. Bei den Infrastrukturinvestitionen ist die Gefahr eher gering, weil es sich dabei um vorübergehende Ausgaben handelt, die noch dazu einen Wachstumsbeitrag leisten und dadurch künftige Steuereinnahmen hervorbringen. Die Steuersenkungen sind jedoch dauerhaft und werden sicherlich in hohem Umfang für Konsum oder höhere Ersparnisse eingesetzt. Beide Maßnahmen werden zumindest vorübergehend das Wirtschaftswachstum in den USA erhöhen, die Inflation in den USA anheizen und zu steigenden Zinsen führen.

Das hätte für Europa die positive Wirkung, dass die bereits heute dynamisch wachsenden Exporte in die USA weiter wachsen würden. Sicherlich würde die Trump-Regierung vermeiden wollen, dass das Handelsdefizit mit Europa weiter zunimmt. Das wäre aber nur erreichbar, wenn die expansive Fiskalpolitik mit einer Erhöhung von Importzöllen einhergehen würde. Dafür müssten die USA jedoch aus der Welthandelsorganisation WTO austreten. Ein so radikaler Schritt würde Exportmärkte für US-Unternehmen verschließen und auch in den USA Millionen von Arbeitsplätzen zerstören. Davor wird Trump zurückschrecken.

Ein problematischer Nebeneffekt der Fiskalexpansion wäre, dass die Niedrigzinsphase auch in Europa schneller zu Ende gehen könnte als erwartet. Die nach wie vor hoch verschuldeten Staaten vor allem in Südeuropa könnten durch einen Zinsanstieg in Bedrängnis geraten. Das gilt auch für Banken, die in großem Umfang Staatsanleihen halten oder zu sehr niedrigen Zinsen langfristige Immobilienkredite vergeben haben. Das könnte auch deutsche Institute treffen.

Ein dritter Politikwechsel ist in der Energie- und Klimapolitik zu erwarten. Trump will, dass sich die USA aus der Bekämpfung der Klimaerwärmung verabschieden und stärker auf die eigene Förderung fossiler Energien setzen, vor allem Kohle und Schiefergas („shale gas“). Darauf kann Europa nur mit Appellen reagieren und damit drohen, eigene Anstrengungen von der Vermeidung von CO2-Reduktionen in Richtung Anpassung an den Klimawandel umzulenken.

Eine vierte wichtige Veränderung betrifft die Rolle der USA in der internationalen Sicherheitspolitik. Trump will, dass die USA in der NATO bleiben, aber die Europäer sollen einen größeren Anteil an den Verteidigungslasten tragen. Gleichzeitig will Trump stärker mit Putin kooperieren. Das ist ein unüberhörbares Signal an Europa, militärisch eigenständiger zu werden. Dazu braucht die EU nicht nur die französischen, sondern auch die britischen Atomwaffen. Auch Deutschland wird mehr Geld für Rüstung bereitstellen müssen. Die Schaffung einer effektiven europäischen Verteidigungsunion ist dringender denn je. Die EU sollte dafür dem Vereinigten Königreich in den Brexit-Verhandlungen entgegenkommen.

Der Trump-Sieg ist ein Weckruf an die Europäer, ihre internen Streitigkeiten hintanzustellen und ihre Interessen gemeinsam effektiver zu vertreten.

Clemens Fuest
Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft
Präsident des ifo Instituts

Erschienen unter dem Titel „Die Ökonomie des Mr. Trump“, Handelsblatt, 14. November 2016, S. 48.

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Clemens Fuest
ifo Institut, München, 2016
ifo Standpunkt Nr. 180
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