Stellungnahme -

ifo Standpunkt Nr. 176: Keine Umgehung der Investorenhaftung für die italienischen Banken!

Dürfen die mit faulen Krediten belasteten Banken in Italien mit Steuergeldern saniert werden? Lange Zeit war diese Art der Bankenrettung üblich, auch in Deutschland. Eine der Lehren aus der Finanzkrise besteht aber darin, dass die Abwälzung von Bankenverlusten auf die Steuerzahler aufhören muss. Deshalb setzen die Vorschriften der Europäischen Bankenunion Staatshilfen für kriselnde Banken enge Grenzen. Sie sind erst zulässig, nachdem private Kapitalgeber Verluste in Höhe von mindestens 8 Prozent der Bilanzsumme übernommen haben. Ausnahmen sind möglich, etwa bei einer Krise, die das gesamte Bankensystem der Eurozone bedroht. Im Fall der italienischen Bankenkrise kann davon aber keine Rede sein. Die neuen Regeln gelten seit dem 1. Januar 2016.

Bild Clemens Fuest für Standpunkte

Die Schieflage der italienischen Banken ist der erste größere Test für die Europäische Bankenunion. Doch wie so oft in der Eurozone ist die Bereitschaft, sich an gemeinsam beschlossene Regeln zu halten, gering. Die italienische Regierung will die Haftung privater Kapitalgeber der Banken verhindern.

Eigentlich hatten die Mitgliedstaaten genug Zeit, sich auf die neuen Spielregeln vorzubereiten. Dass die italienischen Banken viele notleidende Kredite in ihren Büchern haben, ist spätestens seit der „Asset Quality Review“ des Jahres 2014 bekannt. Offenbar hat man diesen Test nicht weiter ernst genommen, obwohl er gerade sicherstellen sollte, dass die Kreditinstitute auf die Bankenunion vorbereitet werden.

Es ist auch seit Jahren bekannt, dass man nach dem 1. Januar 2016 Banken nicht mehr mit Steuergeldern retten darf. Es bestand ferner die Verpflichtung für alle Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass die Banken haftendes Kapital in hinreichender Höhe vorweisen können und dass dieses Kapital von Investoren gehalten wird, die Verluste absorbieren können.

Nun wird laut beklagt, dass es unter den Gläubigern der Krisenbanken Kleinanleger gibt. Denen haben einige Banken Anleihen verkauft, die nicht vom Einlagensicherungsfonds gedeckt sind. Diese Kleinanleger werden nun angeführt, um zu begründen, warum man die Vorschriften der Bankenunion kaum ein halbes Jahr nach ihrem Inkrafttreten wieder über Bord werfen möchte. Dass es auch Aktionäre und Großinvestoren unter den Kapitalgebern der Bank gibt, scheint vergessen.

Die Regelung, dass private Investoren zuerst haften, hat nicht nur den Grund, dass die Steuerzahler geschützt werden müssen. Die Haftung von Investoren für eventuelle Verluste gehört zu den Grundregeln einer Marktwirtschaft. Sie ist das Gegenstück zu ihrer Beteiligung an Erträgen. Im Prinzip sollten nicht nur 8 Prozent, sondern 100 Prozent der Kapitalgeber von Banken haften, wie es bei jedem anderen Unternehmen auch gilt. Dass Kleinanleger durch Einlagensicherungsfonds geschützt werden sollten, ändert daran nichts. Der Einlagensicherungsfonds ist eine Versicherung, für die die Banken Prämien bezahlen. Staatliche Haftungsgarantien verleiten Banken außerdem dazu, exzessive Risiken einzugehen. Die Finanzkrise hat das deutlich gezeigt.

Darüber hinaus wird der Wettbewerb im Europäischen Binnenmarkt verzerrt, wenn die Refinanzierungskosten der Banken davon abhängen, wie finanzstark das Sitzland der Bank ist, das im Krisenfall die Bank auffängt. Hinzu kommt, dass es mittlerweile durch Rettungsschirme, durch das OMT-Programm und die aktuellen Staatsanleihenkäufe der EZB ein erhebliches Maß an gemeinschaftlicher Haftung für Staatsschulden in der Eurozone gibt. Deshalb können die anderen Mitgliedstaaten nicht akzeptieren, dass Italien seine Staatsverschuldung durch Bankenrettungen weiter in die Höhe treibt.

EZB-Präsident Mario Draghi fordert Staatshilfen für die italienischen Banken, um zu verhindern, dass sie notleidende Kredite unter Wert verkaufen müssen. Das wäre überzeugend, wenn durch die Verkäufe die Stabilität des Finanzsektors in der gesamten Eurozone bedroht wäre. Das ist aber nicht der Fall.

Jedem Unternehmen kann es passieren, dass es schnell Geld braucht und Aktiva zu schlechten Preisen verkaufen muss. Staatshilfen rechtfertigt das nicht. Die Kredite müssen auch nicht auf den Markt geworfen werden. Es reicht, die Krisenbanken zu rekapitalisieren, indem Forderungen der Bankgläubiger in Eigenkapitalanteile getauscht werden. Das könnten auch Anteile an einer neuen Bad Bank sein, in der die faulen Kredite verwertet werden.
Für Staatshilfen wird auch angeführt, die betroffenen Kleinanleger würden sonst bei dem Verfassungsreferendum im Herbst mit Nein stimmen. Mit dem gleichen Argument könnte man verlangen, alle anderen Regeln zur Begrenzung von Subventionen oder zur Einschränkung der Staatsverschuldung über Bord zu werfen. Irgendwo sind immer gerade Wahlen.

Es geht hier nicht nur um Italien. Auch in Deutschland sollte man sich die Frage stellen, ob alle Banken hinreichend Kapital vorweisen können, das im Krisenfall Verluste trägt. Für die Zukunft der gesamten Eurozone ist es von essentieller Bedeutung, dass die Regel der Haftung privater Kapitalgeber eingehalten wird.

Diese Regel bei ihrer ersten größeren Bewährungsprobe zu umgehen würde die Bankenunion der Beliebigkeit anheimstellen. Sie würde das Schicksal der Staatschuldengrenzen des Vertrags von Maastricht teilen. Eine Ergänzung der Bankenunion um eine Einlagensicherung wäre dann endgültig nicht mehr vermittelbar. Die europäische Krankheit des systematischen Brechens wichtiger, gemeinsam beschlossener Regeln darf sich nicht weiter ausbreiten

Clemens Fuest
Professor für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft
Präsident des ifo Instituts

Erschienen unter dem Titel „Fataler Regelbruch“, Handelsblatt, 27. Juli 2016, S. 48.

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Clemens Fuest
ifo Institut, München, 2016
ifo Standpunkt Nr. 176
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