Projekt

Vorschlag für ein steuerpolitisches Reformprogramm: für Einfachheit, faire Lastenverteilung und Wettbewerbsfähigkeit

Auftraggeber: Gesellschaft zur Förderung der wirtschaftswissenschaftlichen Forschung (Freunde des ifo Instituts) e.V.
Projektlaufzeit: Mai 2021 – Dezember 2021
Bearbeitender Bereich:
Projektteam: Dr. Florian Dorn, Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Fuest, Dr. Florian Neumeier, Michael Stimmelmayr, Dr. Maximilian Joseph Blömer, Przemyslaw Brandt, Prof. Dr. Andreas Peichl

Fragestellung und Ziele des Projekts

In den letzten zehn Jahren hat die deutsche Steuerpolitik wenig Reformbereitschaft gezeigt. Änderungen beschränkten sich größtenteils auf marginale Anpassungen und Reaktionen auf Gerichtsurteile. Gleichzeitig wuchs in der öffentlichen und politischen Debatte die Kritik am Steuer- und Abgabensystem. Einerseits stehen in den Diskussionen Umverteilungsaspekte und die Frage nach einer fairen Lastenverteilung im Vordergrund. Auf der anderen Seite stehen Forderungen gegenüber, die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Steuersystems und des Wirtschaftsstandorts Deutschland zu verbessern.

Die ifo Studie Steuerreformen für Einfachheit, faire Lastenverteilung und Wettbewerbsfähigkeit macht die Abwägungsprobleme einer Steuerreform nach der Krise transparent, die zwischen den Zielen der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der Leistungsanreize, der Vereinfachung des Steuersystems und einer fairen Lastenverteilung bestehen. Darüber hinaus werden Optionen aufgezeigt, diese Ziele miteinander in Einklang zu bringen. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Entwicklung eines steuerpolitischen Reformprogramms für Deutschland, in dessen Rahmen pragmatische Lösungsvorschläge für einige der drängendsten Fragen zur Zukunft des Steuer- und Abgabensystems aufgezeigt werden. Einige der Fragen, die dabei im Fokus stehen, lauten: 

  • Wie kann das Steuer- und Transfersystem reformiert werden, sodass Arbeits- und Leistungsanreize gestärkt werden? 
  • Wie sieht eine gerechte Verteilung der Steuerlast aus? Wie werden die Lasten zur Konsolidierung der durch die Coronakrise angehäuften Staatsschulden fair verteilt?
  • Können und sollten vermögensbezogene Steuern in Bezug auf die Finanzierung öffentlicher Ausgaben und zur Schuldenkonsolidierung in Zukunft eine größere Rolle spielen? 
  • Wie sollte sich Deutschland im internationalen Steuerwettbewerb positionieren? Wie kann die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nach der Krise steuerpolitisch gefördert werden?
  • Wie können Praktiken der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung effektiv und ökonomisch sinnvoll unterbunden werden? 
  • Wie können Investitions- und Innovationsanreize für Unternehmen gestärkt werden? Welche Rolle kann dabei eine steuerliche Forschungsförderung spielen?

Methodische Vorgehensweise

Um ein umfassendes Reformprogramm vorzulegen, wird einerseits eine Bestandsaufnahme und Evidenzsynthese aus bestehenden ifo Studien/Vorarbeiten und externen Publikationen vorgenommen. Andererseits werden im Rahmen des Projekts weitere Teilprojekte durchgeführt, die selbst relevante Informationen als Input für das Reformprogramm liefern. 

Zudem werden relevante Simulationsmodelle verwendet, um die Auswirkungen von Reformoptionen zu quantifizieren. Zentral sind hier ein datenbasiertes dynamisches CGE-Simulationsmodell zur Simulierung gesamtwirtschaftlicher Auswirkungen und Steueraufkommen (Stimmelmayr 2007, Radulescu und Stimmelmayr 2010), sowie das ifo-Mikrosimulationsmodell (ifo-MSM-TTL, ifo Tax and Transfer Behavioral Microsimulation Model) für Steuern und Transfers in Deutschland (Blömer und Peichl 2020).

Datenquellen

Blömer M. J. und A. Peichl (2020). The ifo Tax and Transfer Behavioral Microsimulation Model, ifo Working Paper No. 335.

Radulescu, D. und M. Stimmelmayr (2010). The Impact of the 2008 German Corporate Tax Reform: A Dynamic CGE Analysis, Economic Modelling 27, 454–467.

Stimmelmayr, M. (2007), Fundamental Capital Income Tax Reforms: Discussion and Simulation Using ifoMOD, Beiträge zur Finanzwissenschaft 23, Mohr Siebeck, Tübingen.

Ergebnisse

Wie können durch eine Reform des Steuer- und Transfersystems mehr Anreize zur Beschäftigung und mehr steuerliche Entlastung für Familien erreicht werden? 

Die ifo Studie stellt einen für den Staatshaushalt nahezu aufkommensneutralen Reformvorschlag für das Einkommensteuer und Transfersystem vor (Blömer et al. 2021). Die Reformvariante, die mit dem ifo-Mikrosimulationsmodell (ifo-MSM-TTL) simuliert wurde, baut steuerliche Fehlanreize zur Partizipation am Arbeitsmarkt ab und verteilt die Lasten fair, indem insbesondere Kinder stärker in den Fokus bei der steuerlichen Begünstigung von Ehe und Familie rücken und es in allen Dezilen mehr Gewinner als Verlierer geben würde. Die Mittelschicht würde bei diesem Reformvorschlag die stärksten Einkommenszugewinne erzielen. Zu den größten Gewinnern gehören Mehrverdienerhaushalte mit Kindern. Paare ohne Kinder und mit hoher Einkommensdifferenz müssen im Durchschnitt mehr Steuern als bisher zahlen. Die Effizienzgewinne der Reform würden zu knapp 400 000 mehr Beschäftigten (VZÄ) bzw. einem Anstieg der Partizipation am Arbeitsmarkt von bis zu 275 000 Erwerbstätigen führen.

Wie beeinflussen Steuerentlastungen die wirtschaftliche Entwicklung und das Steueraufkommen in Deutschland?

Mit Hilfe eines datenbasierten Simulationsmodells (CGE-Modell) wurden die Auswirkungen verschiedener derzeit diskutierter Steuerreformen auf das Steueraufkommen und andere ökonomische Größen untersucht (Dorn et al. 2021). Eine Senkung der Körperschaftsteuer um 5 Prozentpunkte führt kurzfristig zu einem Rückgang des Steueraufkommens um 13,8 Mrd. Euro. Langfristig sind die jährlichen Steuerausfälle kleiner, weil Investitionen und Beschäftigung steigen. Eine Kombination aus Körperschaftsteuersenkung und beschleunigten Abschreibungen würde kurzfristig das Steueraufkommen sogar um 30 Mrd. Euro senken. Dafür würden Investitionen und Beschäftigung so stark zunehmen, dass die jährlichen Steuereinnahmen mittelfristig wieder auf das Ausgangsniveau ansteigen. Das Bruttoinlandsprodukt und der Konsum der privaten Haushalte wären aber um rund 3% höher als ohne Reform. Die Löhne würden um etwa 4% höher liegen. Es werden außerdem Einkommensteuererhöhungen (Spitzensteuersatz) und eine Erhöhung der Umsatzsteuer betrachtet. Die Finanzierung öffentlicher Ausgaben durch die Umsatzsteuer hat weniger negative Wirkungen auf Investitionen, Beschäftigung und folglich die gesamtwirtschaftliche Entwicklung als die Finanzierung durch die Einkommensteuer. Das verweist auf die klassische Abwägung zwischen Verteilungs- und Effizienzzielen in der Steuerpolitik.

Wie können Steuern Innovationsanreize fördern?

Innovationen bilden die Grundlage für technischen Fortschritt und haben einen entscheidenden Einfluss auf die Zukunftsfähigkeit von Volkswirtschaften. Positive Externalitäten sowie das inhärente Risiko von Investitionen in Forschung und Entwicklung (FuE) führen jedoch dazu, dass privatwirtschaftliche Investitionen in FuE im Marktgleichgewicht unterhalb des effizienten Niveaus liegen. Der Staat kann dieses Marktversagen kompensieren, indem er gezielte Anreize für Innovationen setzt. Dazu stehen verschiedene steuerpolitische Instrumente zur Verfügung: Man unterscheidet zwischen gezielter steuerlicher FuE-Förderung (input- oder outputbasiert) und allgemeiner steuerlicher Förderung über die Unternehmens- und Einkommensbesteuerung. Im Rahmen eines Evidenzberichts mit Meta-Analyse wurde die existierende Fachliteratur zur Wirkung steuerlicher FuE-Förderung systematisch ausgewertet (Falck et al. 2021). Die Analyse zeichnet ein überwiegend positives Bild hinsichtlich der gewünschten Wirksamkeit steuerlicher FuE-Förderung. Insbesondere die gezielte, inputbasierte steuerliche FuE-Förderung und die allgemeine Förderung durch Unternehmensteuern zeigen eine positive Wirkung auf Innovationen bzw. FuE-Aktivitäten in privatwirtschaftlichen Unternehmen.

Aufsatz in Zeitschrift
Oliver Falck, Anna Kerkhof, Christian Pfaffl
ifo Institut, München, 2021
ifo Schnelldienst, 2021, 74, Nr. 10, 26-30
Aufsatz in Zeitschrift
Maximilian Joseph Blömer, Przemyslaw Brandt, Florian Dorn, Clemens Fuest, Andreas Peichl
ifo Institut, München, 2021
ifo Schnelldienst, 2021, 74, Nr. 10, 37-49
Aufsatz in Zeitschrift
Florian Dorn, Fuest Clemens, Florian Neumeier, Michael Stimmelmayr
ifo Institut, München, 2021
ifo Schnelldienst, 2021, 74, Nr. 10, 03-11
Zeitschrift (Einzelheft)
ifo Institut, München, 2021
Munich Economic Debate
Prof. Clemens Fuest, Präsident des ifo Instituts
11. Okt. 2021
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Dr. Florian Dorn,  Vorstandsbereich, Forschungsgruppe Steuer- und Finanzpolitik, Persönlicher Referent des Präsidenten, Direktor EconPol Europe

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Direktor EconPol Europe
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