Projekt

Die Beseitigung des Mittelstandsbauchs - Varianten und Kosten

Auftraggeber: Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft
Projektlaufzeit: Juli 2016 - November 2016
Bearbeitender Bereich:
Projektteam: Clemens Fuest, Björn Kauder, Florian Dorn, Luisa Lorenz, Martin Mosler

Fragestellung und Ziel des Projekts

Im gegenwärtigen deutschen Einkommensteuertarif entsteht ein sogenannter Mittelstandsbauch, weil der progressive Steuertarif zwischen 14 und 42 Prozent nicht gleichmäßig steigt. So schließt sich an den Freibetrag eine Zone im Einkommensbereich 8.653 bis 13.669 € an, in welcher der Grenzsteuersatz rasch von 14 auf etwa 24 % ansteigt. In der sich anschließenden zweiten Progressionszone von 13.670 bis 53.665 € steigt der Grenzsteuersatz im Vergleich zur ersten Zone langsamer bis auf 42 % an. Durch die Eigenschaft des Einkommensteuertarifs bekommt vor allem der Mittelstand zu spüren, was direkte Progression bedeutet.

Die Untersuchung hat zum Ziel, den Mittelstandsbauch zu quantifizieren, ökonomisch zu bewerten und Reformoptionen aufzuzeigen.

Methodische Vorgehensweise

Die Studie wird den Mittelstandsbauch aus ökonomischer und auch politökonomischer Perspektive bewerten. Das Hauptaugenmerk wird auf Anreizwirkungen und Fragen der Steuergerechtigkeit gelegt.

Im zentralen Teil der Studie werden verschiedene Reformoptionen zur Beseitigung des Mittelstandsbauchs untersucht. Mögliche Anpassungen des Steuertarifs werden dargestellt und Verteilungseffekte auf Steuerzahler und Auswirkungen auf Steuereinnahmen simuliert. Die sich ergebenden Be- bzw. Entlastungen der Steuerzahler werden in Abhängigkeit vom Einkommen sowie in ihrer gesamtwirtschaftlichen Höhe gemessen. Zudem werden die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen auf Realeinkommen und BIP-Potenzial abgeschätzt.

Datenquellen

Mikrodaten der Lohn- und Einkommensteuerstatistik (Statistische Landesämter, Statistisches Bundesamt)

Ergebnisse

Das Projektergebnis wurde auf einer Pressekonferenz in Berlin am 02.12.2016 von Clemens Fuest vorgetragen.

Der Mittelstandsbauch führt bei geringen und mittleren Einkommen zu einem schnell steigenden Grenzsteuersatz, weshalb der Mittelstand in der öffentlichen Debatte oft als derjenige Teil der Gesellschaft angesehen wird, der einen besonders großen Teil der staatlichen Abgaben trägt.

Mögliche Ansätze zur Abflachung des Mittelstandsbauchs sind die stufenweise Rechtsverschiebung des Einkommens-Eckwerts, der den Beginn der zweiten Progressionszone markiert (Reformoption I), die Rechtsverschiebung der Einkommensschwelle, ab welcher der Spitzensteuersatz greift (Reformoption II) und eine Kombination dieser beiden Varianten als Parallelverschiebung der beiden Grenzen (Reformoption III). Die Auswirkungen der Reformoptionen werden mit Hilfe des ifo-Einkommensteuer-Simulationsmodells (ifo-ESM) geschätzt.

Für die Reformoption I ergeben die Berechnungen für eine „moderate“ Abflachung des Mittelstandsbauchs (Rechtsverschiebung um 5.000 Euro) eine Steuerentlastung von insgesamt 15,7 Mrd. Euro. Eine komplette Abflachung des Mittelstandsbauchs (Rechtsverschiebung um 11.011 Euro) ergibt eine Steuerentlastung von 31,4 Mrd. Euro. Obwohl alle Steuerzahler bessergestellt werden, profitiert auf individueller Ebene die einkommensstarke Mittelschicht im siebten Einkommensdezil mit einem Bruttoeinkommen zwischen 31.993 Euro und 62.447 Euro relativ gesehen am stärksten.

Die Entlastungswirkung in der Reformoption II für eine „mittlere“ Rechtsverschiebung der Einkommensschwelle um 5.000 Euro, ab welcher der Spitzensteuersatz greift, beläuft sich auf 3,7 Mrd. Euro. Für eine „starke“ Rechtsverschiebung dieses Wertes (um 25.000 Euro) ergeben die Berechnungen eine Steuerentlastung von 14,7 Mrd. Euro. Die individuelle Entlastungswirkung unter Reformoption II verschiebt sich etwas zugunsten höherer Einkommen und ist im achten Einkommensdezil mit einem Bruttoeinkommen von 62.448 Euro bis 113.532 Euro relativ gesehen am stärksten.

In der Kombination der beiden Rechtsverschiebungen in Reformoption III ergibt sich für eine „moderate“ Verschiebung beider Werte um 5.000 Euro eine Steuerentlastung von 19,0 Mrd. Euro, womit die Steuerquote in etwa auf dem Wert des Jahres 2014 gehalten werden könnte. Eine „starke“ Verschiebung beider Werte um 11.011 Euro resultiert in einer Steuerentlastung von 37,0 Mrd. Euro. Unter der dritten Reformoption sind die individuellen Entlastungswirkungen deutlich größer als in den vorhergehenden Szenarien. Dennoch sind es nicht die Spitzenverdiener, sondern Individuen im achten Einkommensdezil mit einem Bruttoeinkommen von 62.448 Euro bis 113.532 Euro, die relativ am stärksten von der Tarifreform profitieren würden.

Die Studie ist auch in der Reihe „ifo Forschungsberichte“ erschienen.

Publikation

Dorn, Florian, Clemens Fuest, Björn Kauder, Luisa Lorenz und Martin Mosler, Die Beseitigung des Mittelstandsbauchs – Varianten und Kosten, ifo Forschungsberichte 77, ifo Institut, 2016 | PDF Download