Gastbeitrag

Daten sind das Erdöl des 21. Jahrhunderts - In Deutschland wird es nicht gefördert

Andreas Peichl beklagt, dass in Deutschland bei der Datenerhebung und -verfügbarkeit im Vergleich zu vielen anderen Ländern ein signifikanter Nachholbedarf besteht. Er sieht auf diesem Gebiet großen Handlungsbedarf, da durch eine bessere Datenqualität die gesellschaftliche Teilhabe verbessert, die wirtschaftliche Wertschöpfung erhöht sowie eine verbesserte Informationsgrundlage für politische Entscheidungen geschaffen wird.


Quelle:
Frankfurter Rundschau Online

Daten gelten als zentrale Innovationstreiber im 21. Jahrhundert und bieten enormes Potenzial für vielfältige Anwendungsgebiete. Eine bessere Nutzung von Daten kann zu besserer gesellschaftlicher Teilhabe, höherer wirtschaftlicher Wertschöpfung und fundierteren politischen Entscheidungen führen. Die Bereitstellung von Daten verursacht zwar Kosten, doch der Verzicht auf Daten kostet noch viel mehr. In Krisenzeiten ist die Politik auf aktuelle Informationen angewiesen, um kurzfristig Entscheidungen zu treffen. Fehlt der Zugang zu aktuellen Daten, so kann die Wissenschaft der Politik keine Handlungsoptionen aufzeigen und Entscheidungen müssen auf unvollständiger Informationsgrundlage getroffen werden. Und ohne Zugriff auf Daten können Unternehmen ihr Innovationspotential nicht ausschöpfen und es fehlt die Grundlage für die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle.

Daten: Corona-Pandemie und Energiekrise offenbaren eklatanten Nachholbedarf

Zwar lässt sich nicht bestreiten, dass die Datenlage in Deutschland heute besser ist als vor ein oder zwei Jahrzehnten. Allerdings bedeutet „besser“ nicht automatisch „gut“. Im Vergleich zu anderen hochentwickelten Ländern schneidet Deutschland eher schlecht ab. Dafür, dass es an verschiedenen Ecken hapert, lieferten zuletzt die Corona-Pandemie und die Energiekrise anschauliche Beispiele. Erstens stehen Daten nicht ausreichend zeitnah, nur in ungeeigneter Form oder auch gar nicht zur Verfügung. Zweitens ergeben sich Schwierigkeiten durch unterausgestattete Dateninfrastrukturen sowie die föderale Arbeitsweise der amtlichen Statistik. Drittens bestehen rechtliche und faktische Hürden für die Verknüpfung verschiedener Datensätze. Viertens sind die rechtlichen Regelungen zur Datenerfassung, -auswertung, und -verknüpfung über viele Gesetze verstreut, die oft mit unterschiedlichen Regelungszielen verbunden sind. In der Grundrechtsabwägung scheint – im Gegensatz zu anderen Ländern - eine restriktive, oftmals widersprüchliche Auslegung des Datenschutzes zu häufig Priorität zu genießen.

Was kann getan werden? Im Koalitionsvertrag finden sich zahlreiche „Buzz Words“ rund um Digitalisierung und Daten, wie z.B. das Netzwerk für empirische Steuerforschung des BMF, das Dateninstitut oder ein Forschungsdatengesetz. Hinzukommt die Datenstrategie der (alten) Bundesregierung mit neuen Datenlaboren in allen Ministerien und der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur Initiative.

Forschungsdatengesetz weist die Richtung

Das Dateninstitut könnte, zumindest nach dem Konzept der Gründungskommission, an vielen Stellen Abhilfe schaffen. Inwieweit dies gelingt und die geweckten, großen Erwartungen nicht enttäuscht werden, wird der weitere (politische) Prozess zeigen. Gleichwohl ruhen neben der notwendigen und überfälligen Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung die größten Hoffnungen aktuell auf dem Forschungsdatengesetz. Auch hier wird man im Laufe des Jahres sehen, in welche Richtung es gehen wird.

Darüber hinaus gibt es jedoch noch weitere Ansatzpunkte, wie die Entwicklung einer „Deutschland-Cloud“ bzw. eines umfassenden Datentreuhandmodells, eine Analyse und Anpassung aller datenrelevanter Gesetze, um eine Reduzierung von gesetzlichen Hürden und den Abbau von Rechtsunsicherheiten im Bereich der Datenverknüpfung zu erreichen, ein eigener Forschungsauftrag für ein unabhängiges Statistische Bundesamt und zusätzliche Ressourcen für die Forschungsdatenzentren, sowie eine Stärkung des Forschungsprivilegs.

Digitale Infrastruktur: Deutschland mit erheblichem Nachholbedarf

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass viele Länder weltweit digitale Strukturen erfolgreich genutzt haben, um die Informationsgrundlage für politische Entscheidungen zu verbessern. Im Vergleich dazu besteht in Deutschland ein erheblicher Nachholbedarf. Dabei stehen hohe Datenqualität, ein geringer Bürokratieaufwand und ein effektiver Datenschutz in einer modernen Dateninfrastruktur keineswegs im Widerspruch zueinander.

Kontakt
Prof. Dr. Andreas Peichl

Prof. Dr. Andreas Peichl

Leiter des ifo Zentrums für Makroökonomik und Befragungen
Tel
+49(0)89/9224-1225
Fax
+49(0)89/907795-1225
Mail