Gastbeitrag

Arbeitsmarkt: Endlich mehr Chancengleichheit für Frauen, bitte!

Die fehlende Gleichstellung von Frauen auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist ernüchternd und vor allem in Führungspositionen sind Frauen weiterhin die Ausnahme. Dazu kommt die Lohnlücke. Mit Frauenquoten allein lässt sich die Chancenungleichheit nicht lösen. Andreas Peichl spricht von erheblichem Handlungsbedarf für die neue Bundesregierung, um die vielfältigen Ursachen für Gender Gaps in Deutschland zu bekämpfen.


Quelle:
www.tz.de

Der europäische Gleichstellungsbericht zeigt es immer wieder: Deutschland ist im EU-Vergleich allenfalls Mittelmaß. Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern ist mittlerweile hinlänglich bekannt und sorgt dennoch jedes Jahr wieder für Schlagzeilen: Frauen „verdienen“ pro Stunde über 20 Prozent weniger als Männer – bezogen auf das Jahreseinkommen sind es sogar 40 Prozent.

Ein Großteil des Unterschieds kommt daher, dass Frauen andere Tätigkeiten ausüben als Männer. So fällt immer wieder der geringere Anteil von Frauen in Führungspositionen auf. Frauenquoten für Posten in Aufsichtsräten oder Vorständen – so sinnvoll sie auch sind – werden das Problem jedoch nicht alleine lösen. Denn solange wir nicht die vielfältigen Ursachen für Gender Gaps in Deutschland bekämpfen, hilft ein Herumdoktern an den Symptomen nicht weiter.

Fehlende Chancengleichheit von Frauen im Beruf: Desinteresse im Bundestag

Denn einige Ursachen für die fehlende Gleichstellung könnten beseitigt werden, wenn man(n) denn wollte. Unsere Institutionen haben entscheidenden Anteil sowohl an der Lohnlücke als auch an der geringen Zahl von Frauen in Spitzenpositionen. Doch der männlich dominierte Bundestag hat in der Vergangenheit wenig Interesse gezeigt, die Situation substanziell zu ändern und wirklich mehr Gleichstellung zu fördern. Vielleicht wenig verwunderlich, denn schließlich sind Eintrittsbarrieren ein beliebtes Mittel, um sich unerwünschte Konkurrenz vom Leib zu halten.

Um welche Institutionen geht es? Die Klassiker sind das Ehegattensplitting, die beitragsfreie Familiensozialversicherung und die mittlerweile zwar verbesserte, aber immer noch nicht sehr gute Verfügbarkeit von Kinderbetreuungsplätzen. Diese und andere Regelungen des deutschen Steuer- und Transfersystems führen zu marginalen Abgabenquoten von bis zu 100 Prozent für Zweitverdiener, wie der Ökonom sagt.

Fehlende Chancengleichheit von Frauen im Beruf: Massive steuerliche Fehlanreize

In anderen Worten: Wenn eine Frau (der überwiegende Teil der Zweitverdiener in Paaren sind Frauen) anfängt zu arbeiten oder ihre Arbeitszeit ausweitet, kann es vorkommen, dass von einem Brutto-Euro zusätzlich netto fast nichts übrig bleibt. Kein Wunder also, dass es keinen Anreiz für verstärkte Arbeitsmarkt-Partizipation von Frauen gibt und die Alleinverdiener-Ehe immer noch die dominante Lebensform von Paaren mit Kindern ist. Ganz so, wie zu Ende des 19. Jahrhunderts, als insbesondere unter Bismarck in Preußen die Grundlagen unseres heutigen Sozial- und Steuersystems gelegt wurden. Ein ganzes Jahrhundert ist vergangen, aber am Rollenbild der Frau in der Gesellschaft hat sich nicht viel geändert - zumindest was die Institutionen angeht. Hier besteht also erheblicher Handlungsbedarf für die neue Bundesregierung!

Wenn wir wirklich die Chancengerechtigkeit erhöhen und mehr Frauen in Führungspositionen bringen wollen - und nicht wollen, dass gut ausgebildete und hoch qualifizierte Arbeitskräfte zu Hause am Herd bleiben - dann müssen wir die tieferliegenden Ursachen und nicht die Symptome bekämpfen, indem wir unsere Institutionen modernisieren und nicht weiter einem antiquierten Rollenbild folgen. 

 

Ebenso veröffentlicht auf merkur.de, 11.072022.