Gastbeitrag

Finanzpolitik für die Ampel-Koalition

Clemens Fuest erläutert, wie die Finanzierung der digitalen und grünen Transformation durch die neue Koalition aussehen könnte.


Quelle:
Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Die Verhandlungen für eine Ampel-Koalition haben in guter Atmosphäre begonnen, sie werden trotzdem schwierig. Das gilt vor allem für die Finanzpolitik. Hier gilt es, so etwas zu vollbringen wie die Quadratur des Kreises. Die grüne und digitale Transformation erfordert neben öffentlichen erhebliche private Investitionen, die ohne erhebliche steuerliche Anreize kaum stattfinden werden. Eine steuerliche Entlastung von Investitionen ist auch wichtig, um die zunehmend fragile Konjunkturerholung zu stützen. Gleichzeitig engt die Schuldenbremse die Spielräume für öffentliche Kreditaufnahme ein.

Wie kann dieses Dilemma überwunden werden? Forderungen, die Schuldenbremse abzuschaffen oder aufzuweichen, haben kaum Realisierungschancen. Zum einen fehlt die für Änderungen des Grundgesetzes notwendige Zweidrittelmehrheit im Parlament. Zum anderen gibt es ökonomische Einwände. Die Schuldenbremse hat die Funktion, die Politik dazu zu zwingen, Prioritäten zu setzen und Konflikte über die Verwendung knapper Mittel auszutragen, statt ihnen auszuweichen durch die Flucht in Verschuldung. Die Schuldenbremse soll außerdem die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen schützen. Nachhaltigkeit bedeutet allerdings nicht nur, öffentliche Verschuldung zu begrenzen. Nachhaltiges Wirtschaften kann auch dadurch gefährdet werden, dass öffentliche Investitionen entfallen oder private Investitionen durch überzogene steuerliche Belastung verdrängt werden.

Ein häufig diskutierter Ausweg aus dem Konflikt zwischen Investitionsbedarfen und Schuldenbremse besteht darin, schuldenfinanzierte Investitionen in öffentliche Unternehmen und andere Nebenhaushalte zu verlagern. Das wirft jedoch zwei Probleme auf. Zum einen besteht die Gefahr, dass damit auch Investitionen finanziert werden, deren Finanzierung bislang im normalen Haushalt geplant war, sodass letztlich mehr Raum für schuldenfinanzierte konsumtive öffentliche Ausgaben geschaffen wird. Das reduziert die Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen und könnte in eine dauerhafte Aushöhlung und Umgehung der Schuldenbremse münden.

Zum anderen funktioniert das nur für klassische Investitionsausgaben wie etwa den Bau von Bahnstrecken. Eine Förderung von privaten Investitionen - beispielsweise Subventionen für die Gebäudedämmung oder Hilfen für das Errichten von Produktionsstätten für grünen Stahl, die ohne diese Hilfen nicht wettbewerbsfähig wären - lässt sich über die Ausstattung öffentlicher Unternehmen mit Kapital nicht finanzieren.

Eine Alternative zum Ausweichen auf Nebenhaushalte würde darin bestehen, im Jahr 2022, für das die Schuldenbremse krisenbedingt noch einmal ausgesetzt bleiben soll, eine Rücklage zu schaffen, mit der diese Aufgaben finanziert werden. Auch dabei handelt es sich ehrlicherweise um eine Art Nebenhaushalt. Immerhin wäre das eine einmalige Operation, die sich nicht ohne Weiteres wiederholen lässt. Die Defizitgrenzen der Schuldenbremse würden von 2023 an wieder eingehalten. Auch bei diesem Weg besteht die Gefahr, dass bereits anders finanzierte öffentliche Investitionen in die Rücklagenfinanzierung verschoben werden, um Spielräume für konsumtive Ausgaben zu gewinnen. Außerdem sinkt der heilsame Druck, zu prüfen, ob die bestehenden Ausgaben im Staatshaushalt wirklich unentbehrlich sind.

Um diese Bedenken auszuräumen, könnten die Koalitionäre die Rücklagenlösung mit dem folgenden Plan verbinden. Erstens wird konkretisiert, welche öffentlichen Investitionen und welche Förderung privater Investitionen - beispielsweise beschleunigte Abschreibungen für die grüne und digitale Transformation von Produktionsanlagen oder Zuschüsse für die Gebäudedämmung und neue Heizungen - durch die Rücklage in den kommenden Jahren finanziert werden. Zweitens wird dargelegt und beispielsweise vom Bundesrechnungshof bestätigt, dass es sich nicht um Investitionen handelt, deren Finanzierung über den normalen Haushalt bereits geplant war. Drittens werden die existierenden Ausgaben einschließlich bestehender Steuervergünstigungen in einer "Spending-Review" überprüft, mit dem Ziel, durch die Kürzung oder das Einfrieren von Staatsausgaben einen in den kommenden Jahren wachsenden und vorab klar definierten Beitrag zur Finanzierung der prioritären Aufgaben zu leisten.

Diese Einsparungen verringern die erforderliche kreditfinanzierte Rücklage. Damit wäre sichergestellt, dass die neue Regierung mit öffentlichen Mitteln sorgsam umgeht und die kreditfinanzierte Rücklage bei den Staatsausgaben nicht zu einem Dammbruch bei den Ausgaben führt. Das ganze Paket wäre so etwas wie ein Business-Plan für eine digitale und grüne Transformation, den die neue Koalition den Bürgern vorlegt. Die Transformationsaufgabe wird finanziert, aber es gibt keine Steuererhöhungen, keine unkontrollierte Expansion der Staatsausgaben, und die Schuldenbremse als Rahmen für die mittelfristige Finanzpolitik bleibt erhalten. Dieser Plan sollte für alle an der Ampel beteiligten Parteien tragbar sein.

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Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Fuest

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