Gastbeitrag

Wie Europa und die USA im Wettbewerb mit China bestehen können

Clemens Fuest erklärt wie die transatlantische Kooperation durch Zugeständnisse auf beiden Seiten dauerhaft verbessert werden kann, um im Wettbewerb mit China bestehen zu können.


Quelle:
Wirtschaftswoche

Die dauerhafte Verbesserung des transatlantischen Verhältnisses erfordert Konzessionen nicht nur der USA, sondern auch aufseiten der EU.

Internationale Wirtschaftsgipfel wie G7- und G20-Treffen bringen meistens schöne Gruppenfotos und freundlich formulierte Abschlusserklärungen hervor. Sie sind ein Gradmesser für die Atmosphäre, die unter den beteiligten Regierungen herrscht, in der Regel aber nicht mehr. Der jüngste G7-Gipfel in Cornwall und das daran anschließende Gipfeltreffen zwischen den USA und der EU waren allerdings anders. Während Präsident Donald Trump für ein Klima der Unberechenbarkeit und Konfrontation sorgte, betonte Joe Biden gemeinsame Werte und Interessen sowie die Bedeutung internationaler Kooperation. Das ist aber keine Überraschung - Biden hatte schon im Präsidentschaftswahlkampf angekündigt, dass er Trumps erratisches und aggressives Auftreten gegenüber den Verbündeten für kontraproduktiv hält. Biden hatte aber nicht nur warme Worte im Gepäck, sondern war auch bereit, eine neue und gemeinsame wirtschafts- und geopolitische Agenda auf den Weg zu bringen. Während die G7-Abschlusserklärung gemeinsame Ziele wie Freihandel, Klima- und Umweltschutz, die gemeinsame Bekämpfung der Coronapandemie sowie die Verteidigung von Demokratie und Menschenrechten definiert, wurden beim EU-US-Gipfel konkrete Schritte zur Verbesserung der transatlantischen Zusammenarbeit vereinbart. Die Vereinbarungen sind nicht als Gründung einer Allianz gegen China formuliert, aber die Signale sind deutlich.

Die EU und die USA verpflichten sich, in der Entwicklung ihres jeweiligen Verhältnisses zu China eng zusammenzuarbeiten. Dieses Verhältnis enthalte Elemente der Kooperation, des Wettbewerbs und der systemischen Rivalität, heißt es in der gemeinsamen Erklärung. Der wohl wichtigste konkrete Schritt ist die Einrichtung eines gemeinsamen hochrangigen Handels- und Technologierats. Dieses Gremium soll unnötige Handelsschranken abbauen, die Entwicklung gemeinsamer Regulierungen und Standards vor allem für die Digitalwirtschaft vorantreiben und die Kooperation im Bereich der Cybersicherheit ausbauen. Die Macht der Digitalkonzerne soll durch eine koordinierte Wettbewerbspolitik eingedämmt werden.

Neue Ära der Kooperation

Das Projekt der Entwicklung gemeinsamer Standards für die Digitalwirtschaft zielt auch darauf ab, die Standardsetzung nicht China zu überlassen. Darüber hinaus soll die Welthandelsorganisation WTO Subventionen und "unfaires Verhalten von Staatsunternehmen" eindämmen. Wenn eine multilaterale Einigung im Rahmen der WTO nicht erreichbar ist, seien plurilaterale Mechanismen vorzusehen. Notfalls werden die USA und die EU Handelsregeln einführen, die China ausschließen. China wird außerdem für Menschenrechtsverletzungen und die Unterdrückung der Demokratie in Hongkong kritisiert.

All dies spricht dafür, dass der Regierungswechsel in den USA die Tür zu einer neuen Ära der transatlantischen Kooperation geöffnet hat. Das ist eine gute Nachricht. Dennoch ist der Erfolg dieser Initiative alles andere als sicher. Der Wille zur Kooperation ändert nichts daran, dass es zwischen den USA und der EU divergierende Interessen gibt.

Nach wie vor trägt Europa wenig zur Verteidigungsbereitschaft der Nato bei. Die USA verlangen zu Recht einen größeren militärischen Beitrag der EU-Staaten zur Verteidigung Europas, auch gegenüber Russland. Im Bereich der Steuerpolitik halten die EU und einige ihrer Mitgliedstaaten daran fest, Digitalsteuern einzuführen, die zu einem erheblichen Teil US-Unternehmen treffen würden. Verschieden sind die Interessen auch in den Wirtschaftsbeziehungen zu China. Beispielsweise sind für europäische Firmen die Güterexporte nach China mit einem Volumen von rund 200 Milliarden Euro pro Jahr wichtiger als für amerikanische Firmen, deren Exporte mit weniger als 100 Milliarden US-Dollar knapp halb so hoch sind. Mit Mitteln der Handelspolitik Druck auf China auszuüben ist für die EU also riskanter als für die USA.

Joe Biden wird seinen Kurs der Kooperation nur dann aufrechterhalten können, wenn in der politischen Debatte in den USA deutlich wird, dass damit auch amerikanischen Interessen gedient ist. Die EU sollte deshalb mehr tun, als sich über die veränderte US-Politik zu freuen. Sie sollte sich darauf festlegen, bei einer Einigung über eine Reform der internationalen Besteuerung die Pläne zur unilateralen Einführung einer Digitalsteuer aufzugeben, und die Mitgliedstaaten auffordern, bereits eingeführte Steuern abzuschaffen. Zudem sollte sie mehr Bereitschaft zur Öffnung der eigenen Märkte für US-Produkte zeigen. In der Klimapolitik sollte die EU vermeiden, mit der Einführung eines CO2 - Grenzausgleichs Marktzugangsbarrieren für US-Firmen zu errichten. Nicht zuletzt ist es notwendig, dass die Europäer ihren Beitrag zur militärischen Leistungsfähigkeit der Nato steigern und eine effektivere gemeinsame Außenpolitik entwickeln. Ohne sichtbare europäische Beiträge besteht die Gefahr, dass das transatlantische Verhältnis sich ebenso schnell eintrübt, wie es sich jetzt verbessert hat. Das wäre eine verpasste Chance.

Clemens Fuest, 52, ist seit April 2016 Präsident des ifo Instituts und Professor für Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

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Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Fuest

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