Rente

Die Alterung der Gesellschaft stellt in den kommenden Jahrzehnten das Gesetzliche Rentensystem in Deutschland vor große Herausforderungen. Bis Mitte der 2030er Jahre wird die Generation der Babyboomer sukzessive in Rente gehen. In den 1950er Jahren, als die Grundzüge der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) in ihrer heutigen Form festgelegt wurden, ließen sich die Lasten gut schultern: Sechs Personen im Erwerbsalter mussten für eine*n Rentner*in aufkommen. Heute konzentriert sich die Finanzierungslast schon auf nur drei Personen im erwerbsfähigen Alter. Und im Jahr 2050 sind dann pro Rentner*in nur noch zwei Erwerbsfähige für die Finanzierung da. Was bedeuten diese Verschiebungen für die Gesetzliche Rentenversicherung? Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um ein nachhaltig finanzierbares System zu schaffen?

 

Rentnerpaar auf einer Parkbank
Rentnerpaar auf einer Parkbank

Die Ursachen der sich anbahnenden Finanzierungsschwierigkeiten in der Rentenversicherung sind die schon seit Beginn der 1970er Jahre sinkende Geburtenrate einerseits und die gestiegene Lebenserwartung andererseits – beides Entwicklungen, die weit in die Vergangenheit zurückreichen. Zum demografisch bedingten Ausgabenanstieg in der Rentenversicherung kommen allerdings noch die Zusatzlasten hinzu, die die Politik in den vergangenen Jahren durch substanzielle Leistungsausweitungen generiert hat. Hierzu gehören die Erweiterungen der Mütterrente, die Einführung der Rente mit 63, Reformen der Erwerbsminderungsrente, die doppelte Haltelinie, die Grundrente sowie die Aussetzung des 2008 eingeführten Nachholfaktors. Diese Rentenreformen haben die Rentenansprüche von einigen ausgewählten Personengruppen erhöht und die Anstrengungen zur Stabilisierung der Rentenkasse (wie der Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors 2004 und der schrittweisen Anhebung des regulären Renteneintrittsalters auf 67 Jahre ab 2012) teilweise wieder zunichtegemacht.

Infografik: Wie viele Beitragszahler finanzieren eine:n Rentner:in?

Nachhaltige Reformen notwendig

Das bestehende Systems der GRV kann nur aufrechterhalten werden, wenn entweder die Rentenversicherungsbeiträge bzw. die steuerfinanzierten Bundeszuschüsse an die GRV angehoben werden, die (relative) Rentenhöhe abgesenkt wird oder die Lebensarbeitszeit verlängert wird. Im ersten Fall trägt allein die jeweilige Erwerbsgeneration die Last, im zweiten Fall die jeweilige Rentnergeneration und im dritten Fall die künftigen Rentner*innen. Eine andere Lösung gibt es grundsätzlich nicht, solange man nicht vom geltenden Grundsatz der „Beitragsäquivalenz“ in der GRV abweichen will.

„Eine schwere Belastung für die Rentenkassen ist die Aussetzung des Nachholfaktors bis 2025. Die damit verbundene Entkopplung der Renten- von der Lohnentwicklung führt zu einem verhältnismäßig stärkeren Anstieg der Renten als der Beschäftigtenentgelte.“

Prof. Dr. Joachim Ragnitz, Stellvertretender Leiter der ifo Niederlassung Dresden

Verlängerung der Regelaltersgrenze

Die Regierung sollte keine weiteren Rentenpakete, die die ohnehin stark anwachsenden Ausgaben für die Alterssicherung auf Dauer weiter nach oben treiben, verabschieden und die Aussetzung des Nachholfaktors und die doppelte Haltelinie nicht über 2025 hinaus verlängern. Für eine langfristig tragfähige Finanzierung des Rentensystems kommen wir in Deutschland nicht um eine Verlängerung der Regelaltersgrenze herum. Die Erhöhung der Regelaltersgrenze sollte regelgebunden – an Lebenserwartung oder Lebensjahre in guter Gesundheit (HALE, Healthy Life Expectancy) gekoppelt – erfolgen, um kurzfristig opportunistisches Verhalten zukünftiger Regierungen zu minimieren. Zudem sollte der Anstieg der Regelaltersgrenze sozial flankiert werden, um Personen mit schlechterem Gesundheitsstatus oder physisch besonders beanspruchenden Berufen einen fairen Anteil an den Rentenleistungen zu sichern.

Video

ifo Podcast: Rentenerhöhung 2022 – übermäßige Belastung für junge Generation?

Die Renten werden im Sommer 2022 so stark erhöht wie lange nicht – als Folge der Lohnsteigerungen im Jahr 2021. Welche Rolle spielen dabei Nachhaltigkeitsfaktor und Nachholfaktor? Wo liegen die langfristigen Herausforderungen des Umlageverfahrens – und wie könnten diese jetzt angepackt werden?

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