Aufsatz in Zeitschrift

Die Agenda 2010 und die Armutsgefährdung

Hans-Werner Sinn, Wido Geis, Christian Holzner
ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München, 2009

ifo Schnelldienst, 2009, 62, Nr. 17, 23-27

Die Zahl der von Armut gefährdeten Personen in Deutschland lag im Jahr 2006 mit rund 14 Millionen um rund eine Million niedriger als 2005. Der Abbau der Armutsgefährdung verlief parallel mit dem Rückgang der Arbeitslosigkeit, der wegen der Agenda 2010 im letzten Boom allein in Westdeutschland um eine Million Menschen größer war, als man es bei einer Fortsetzung früherer Entwicklungsmuster hätte erwarten können. Der im Zuge der Agenda 2010 gewachsene Niedriglohnsektor ist kein Problem, sondern ein Erfolg der deutschen Politik. Denn selbst bei sehr schlecht bezahlten Stellen kommt man durch eine Vollzeitbeschäftigung über die Armutsgefährdungsgrenze, weil ein Lohnzuschusssystem eingeführt wurde, das verhindert, dass Geringqualifizierte allein von ihrer Hände Arbeit leben müssen. Das hat Implikationen für die Mindestlohndebatte. Politisch verursachte Lohnerhöhungen, die über das Marktergebnis hinaus führen, bedrohen einen Teil der Menschen, den man helfen will, mit Armut. Sie vernichten Stellen und drücken das Einkommen der Arbeitslosen nach Auslaufen des Arbeitslosengeldes auf das Hartz-IV-Niveau und damit unter die Armutsgefährdungsschwelle. Der Verzicht auf Mindestlöhne verringert hingegen den Anteil der von Armut gefährdeten Menschen, weil er den bislang arbeitslosen Hartz-IV-Empfängern bezuschusste Arbeit verschafft und ihr Nettoeinkommen damit über die Armutsgefährdungsschwelle hebt.

Schlagwörter: Arbeitsmarktpolitik, Sozialreform, Armutspolitik, Arbeitslosigkeit, Deutschland
JEL Klassifikation: J210,J300,J650

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Zeitschrift (Einzelheft)
ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München, 2009