Aufsatz in Zeitschrift

ifo Konjunkturprognose 2005: Abgehängt von der Weltkonjunktur

Gebhard Flaig, Wolfgang Nierhaus, Oscar-Erich Kuntze, Andrea Gebauer, Steffen Henzel, Oliver Hülsewig, Anita Dehne, Erich Langmantel, Monika Ruschinski, Hans-Werner Sinn, Timo Wollmershäuser
ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München, 2004

ifo Schnelldienst, 2004, 57, Nr. 24, 15-53

Am 21. Dezember stellte das ifo Institut im Rahmen seines vorweihnachtlichen Pressegesprächs seine Prognose für das Jahr 2005 vor: Die Weltwirtschaft boomt wie seit 28 Jahren nicht mehr, doch die deutsche Wirtschaft macht nicht mit. Es gibt zwar einen Aufschwung, doch ist er angesichts der hohen Verflechtung der deutschen Wirtschaft mit der Weltwirtschaft enttäuschend schwach. Deutschland ist von der Weltkonjunktur entkoppelt und liegt nach wie vor beim Wachstum unter dem Durchschnitt der alten EU-Länder. Insgesamt ist das reale Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2004 nach heutiger Einschätzung nur um 1,7% höher als im Jahr 2003, wobei allein 0,5 Prozentpunkte auf einen Sondereffekt bei den Arbeitstagen zurückzuführen sind. Nur der Export hat sich im Jahr 2004 gut entwickelt. Getrieben durch die Weltkonjunktur wuchs er um stattliche 9,3% in realer Rechnung. Vielen ist es ein Rätsel, warum sich dieses Wachstum in solch geringem Umfang in das gesamte Bruttoinlandsprodukt übertragen hat. Die Lösung des Rätsels liegt zum einen darin, dass ein Teil der Exporte aus importierten Vorleistungen sowie importierter Handelsware bestand, also insofern nur ein durchlaufender Posten war. Zusätzliche Exporte führen nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes nur noch zu etwa 45% zu einer zusätzlichen inländischen Wertschöpfung; 55% der marginalen Exporte sind exportinduzierte Importe (Basareffekt). Zum anderen liegt die Lösung im Schrumpfen der Binnennachfrage. Der private Konsum ging um 0,3% zurück, und die Bruttoanlageinvestitionen verringerten sich um 0,5%. Als gemeinsame Erklärung für die schwache Binnennachfrage kommt das hohe deutsche Lohnkostenniveau in Betracht, das hinter Norwegen die Spitzenposition in der Welt einnimmt und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Arbeitnehmer immer mehr beeinträchtigt. Ungeachtet der strukturellen Schwächen der deutschen Wirtschaft, die noch lange nicht überwunden sind, hängen die weiteren Konjunkturaussichten in hohem Maße von der Entwicklung der Weltkonjunktur ab. Für das Jahr 2005 ist deshalb eine Abschwächung der weltwirtschaftlichen Dynamik zu erwarten, ohne dass diese Abschwächung schon einen Abschwung bedeuten würde. In Deutschland dürfte im Jahresdurchschnitt 2005 das reale Bruttoinlandsprodukt um 1,2% steigen, nach Ausschaltung von Kalenderschwankungen sogar um 1,4%. Die Inflationsrate wird im nächsten Jahr voraussichtlich mit 1,4% etwas niedriger sein als in diesem (1,6%). Die Lage am Arbeitsmarkt bleibt trotz der leichten konjunkturellen Erholung angespannt. Im Durchschnitt des Jahres 2005 wird die Arbeitslosenzahl noch um rund 85 000 höher als in diesem sein, wenn man die aus Hartz IV resultierenden Effekte noch nicht berücksichtigt. Die Arbeitslosenquote wird im Jahresdurchschnitt 10,4% betragen, nach 10,3% in diesem Jahr. 

Schlagwörter: Weltkonjunktur, Konjunkturprognose, Wirtschaftswachstum, Konjunkturumfrage, Geschäftsklima, Deutschland, Welt
JEL Klassifikation: F010,O000

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ifo Institut für Wirtschaftsforschung, München, 2004