Pressemitteilung -

ifo-Forscher: Kritik am Ansatz einer Gleichwertigkeitskommission

16.04.2019

Die Bundesregierung hat zum Abbau regionaler Ungleichheit eine hochrangig besetzte Kommission eingesetzt. Diese soll bis zur Jahresmitte Handlungsempfehlungen erarbeiten, wie sowohl in Städten als auch im ländlichen Raum „gleichwertige Lebensverhältnisse“ geschaffen werden können. Marcel Thum und Joachim Ragnitz von der Niederlassung Dresden des ifo Instituts äußern in einem aktuellen Aufsatz Kritik am Ansatz einer Gleichwertigkeitskommission.

„Ausgabenwirksame Entscheidungen dieser Tragweite können in einem demokratisch verfassten Staat nicht einer Kommission überlassen bleiben, in der neben Vertretern der Exekutive auch Repräsentanten der betroffenen Regionen sowie der Zivilgesellschaft vertreten sind. Die Erfahrung lehrt, dass die Ausgabenwünsche dann ins Unermessliche wachsen“, erklärt Thum, Geschäftsführer der Niederlassung Dresden. Rückt die Politik die Herstellung regionaler „Gleichheit“ in den Vordergrund, werden Mittel gebunden, die für andere öffentliche Zielsetzungen nicht mehr zur Verfügung stehen. Ragnitz, stellvertretender Geschäftsführer der Niederlassung Dresden ergänzt: „Der Haushaltsgesetzgeber muss letztlich darüber entscheiden, welche Leistungen der Daseinsvorsorge in welchem Umfang wo bereitgestellt werden.“

Die „Gleichwertigkeit von Lebensverhältnissen“ hat in Deutschland Verfassungsrang. Allerdings besteht keine Einigkeit darüber, was regional gleichwertige Lebensverhältnisse sind, so dass alle Versuche einer Messung zum Scheitern verurteilt sind. Grundsätzlich stellt die Diskussion um die Gleichwertigkeit regionaler Lebensverhältnisse die Region in den Mittelpunkt und nicht die in einer Region lebenden Bürger. Diese wertschätzen die Leistungen der (öffentlichen) Daseinsvorsorge ganz unterschiedlich. Denn sie bestehen aus einem Bündel unterschiedlicher Güter. Während einigen das kulturelle Angebot eines Stadttheaters besonders wichtig ist, genießen andere die Erholung in Parks oder Naturschutzgebieten. Eine Minderausstattung bei einzelnen Leistungsangeboten gleicht unter Umständen eine besonders gute Ausstattung bei anderen Leistungsangeboten aus. Da die Menschen sehr unterschiedliche Vorlieben haben und die genauen Präferenzen der in einer Region lebenden Menschen nicht bekannt sind, lässt sich nur schwer ermitteln, ob die Bürger eine Minderausstattung mit bestimmten Daseinsvorsorgeleistungen tatsächlich als Defizit empfinden. „Rein enumerative Auflistungen öffentlicher Leistungen oder deren Fehlen sind vom Grundsatz her ungeeignet, unterdurchschnittliche regionale Lebensverhältnisse zu identifizieren“, erklärt Thum. “Regionale Unterschiede im Versorgungsniveau sollten zuzulassen sein, wenn dies den Präferenzen der regionalen Bevölkerung entspricht“, sagt Ragnitz.

Alle Beiträge des Heftes:

  • Zur Debatte um die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse: Was soll man tun und was nicht?
  • Soziale Ungleichheit in Deutschland – Wahrnehmung und Wirklichkeit
  • Vom Sinn einer geschlechterneutralen Erziehung und Bildung
  • Grundrentenpläne sind leistungsfeindlich
  • Anker der Demokratie geschwächt: Sachsen hat seit 1990 drei von vier Kommunalpolitikern verloren
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