Gastbeitrag

Zeitenwende im Wohnungsbau

Ludwig Dorffmeister beklagt die angespannte Lage auf dem deutschen Wohnungsmarkt: das Bauen ist insgesamt zu aufwendig und langwierig und kostet zu viel Geld, um das von der Bundesregierung gesetzte Ziel von jährlich 400.000 neuen Wohnungen zu erreichen. Der Ausweg könnte die Wiederaufnahme einer auskömmlichen Neubauförderung sein.


Quelle:
Fuldaer Zeitung

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, je des Jahr 400 000 Wohnungen zu bauen. Angesichts der Wohnraumengpässe in vielen Ballungsgebieten und des zuwanderungsbedingten Bevölkerungswachstums – 2022 kamen 1,1 Millionen Personen hinzu – ist eine deutliche Ausweitung der Bautätigkeit zu begrüßen. Allerdings war die Vorstellung, die Fertigstellungen auf dieses Niveau zu bringen von Anfang an illusorisch.

Es ist richtig, dass die deutsche Bauwirtschaft in der Vergangenheit sogar wesentlich größere Aufgaben gemeistert hat. Im Wiedervereinigungsboom wurden in der Spitze – einschließlich Umbau – gut 600 000 Wohneinheiten errichtet. Die Zeiten haben sich jedoch dramatisch geändert. Inzwischen ist Bauland vielerorts Mangelware und die Zahl der (baulichen) Vorgaben – vonseiten der EU, des Bundes, der Bundesländer, der Gemeinden und der Normungsinstanzen – nahm erheblich zu. Der Wildwuchs an Regelungen hat das Bauen in den vergangenen drei Jahrzehnten kontinuierlich verteuert. Die immer strengeren Energievorschriften sind zwar nicht hauptursächlich, spielen jedoch eine wichtige Rolle.

Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass die mit einem Immobilienvorhaben zusammenhängenden Prozesse – etwa Raumplanung und Genehmigungsverfahren – komplexer geworden sind und deutlich länger dauern als früher. Überdies haben Teile der Bauwirtschaft in der Vergangenheit ihre Personalkapazitäten nicht in gleichem Maße der gestiegenen Nachfrage angepasst. Das betrifft weniger die klassischen Rohbaufirmen als vielmehr das Ausbaugewerbe. Ihre Betriebe zählen oftmals nur eine Handvoll Mitarbeiter und sind selten auf Expansion ausgerichtet. Bei der Erstellung von Neubauten entfällt auf sie aber inzwischen mehr als die Hälfte der Bauleistungen am Bauwerk.

Die Projektierung und das Bauen wurden also immer aufwendiger, langwieriger und teurer. Dies dämpfte die Nachfrage: 1994 lag die Zahl der Wohnungsgenehmigungen bei rund 710 000 Einheiten, 2021 aber lediglich bei 380 000 Wohnungen. Gleichzeitig dürften vor allem die Kapazitätsengpässe im Ausbaugewerbe zu den merklich verlängerten Bauzeiten beigetragen haben. Die Wohnungsfertigstellungen stiegen anfangs kräftig, danach aber immer langsamer und erreichten 2020 mit Ach und Krach gut 300 000 Einheiten.

Schon die Dauer des Aufschwungs – mittlerweile 13 Jahre – ließ den Verdacht aufkommen, dass hier etwas nicht stimmt. In früheren Zeiten hätte die Bauwirtschaft ihre Produktion über wenige Jahren erheblich hochgefahren. Die neuen Rahmenbedingungen haben dies aber verhindert. Die Zinswende, die dramatisch gestiegenen Baupreise und die Streichung eines Großteils der Neubauförderung treffen den bereits gestressten Wohnungsbausektor nun mit voller Wucht. Weil sich viele jetzt Neubauten nicht mehr leisten können und die kalkulierten Mieten zu hoch wären, wird der Markt mittelfristig markant schrumpfen. Tatsächlich dürften die Fertigstellungen allein bis 2025 auf rund 200 000 Einheiten sinken – mit allen negativen Folgen für Wohnraumverfügbarkeit und Mieten.

Wenn sich die Politik zu keiner radikalen Kürzung des Regelkatalogs auf ein Normalmaß durchringen kann, bleibt eigentlich nur die Wiedereinführung einer auskömmlichen Neubauförderung. Die kostet aber Steuergeld und wirkt auch nicht sofort. Straffere Prozesse oder das Serielle Bauen allein werden die Probleme nicht lösen können.

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Ludwig Dorffmeister

Fachreferent für Bau- und Immobilienforschung
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