Gastbeitrag

So schaffen wir den Spagat aus Entlastung und Gassparen

Christian Bayer, Lion Hirth, Matthias Kalkuhl und Karen Pittel, Mitglieder der von der Bundesregierung ernannten Gaskommission, erläutern, worauf es bei der Umsetzung ihrer Vorschläge zur Gaspreisbremse ankommt.


Quelle:
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Die von der Bundesregierung eingesetzte Gaskommission hat jetzt in Berlin ihren Abschlussbericht vorgelegt und damit ihre Arbeit abgeschlossen. Die Empfehlungen sind Ergebnis intensiver, konstruktiver Diskussionen zwischen Wissenschaft, Energieversorgern, Wohnungswirtschaft, Industrie und Gewerkschaften. Kern des Berichts ist eine "Gaspreisbremse". Diese soll Menschen wie Unternehmen finanziell entlasten, ohne dabei den Gasverbrauch weiter anzuheizen. Ob dieser Spagat gelingt und ob die Entlastung dort ankommt, wo sie soll, ist nun eine Frage der genauen Ausgestaltung. Darauf kommt es an: Eine Subventionierung des Gasverbrauchs ist sinnlos

Um die hohen Gaspreise zu senken, ist der wohl naheliegendste Gedanke, die Preise einfach zu subventionieren. In der aktuellen Lage am Gasmarkt muss eine solche Strategie aber scheitern - denn sie steigert die Nachfrage, obwohl die technischen Möglichkeiten, mehr Gas zu importieren, ausgeschöpft sind. Die höhere Nachfrage würde nur den Preis an den Energiebörsen weiter nach oben treiben. Damit würden wir unseren europäischen Partnern das Gas wegkaufen - zumindest bis diese ebenfalls Subventionen beschließen und damit die Preisspirale weiter anheizen. Diese Dynamik hätte letztlich als Gewinner nur die Gasexporteure. Die Subvention würde nicht bei deutschen Verbrauchern landen, sondern in den Taschen internationaler Energiekonzerne.

Aus dieser Einsicht leitet sich das Grundprinzip der Kommissionsempfehlung ab, dass Zahlungen aus der Gaspreisbremse grundsätzlich nicht an den aktuellen Verbrauch gekoppelt sein sollten. Sie sollen stattdessen eine möglichst passgenaue Entlastung sein, ohne die finanziellen Anreize zum Gassparen zu schwächen. Spiegelbildlich ist dazu nötig, dass die Zuzahlungen zur Gasrechnung weder größer werden, wenn jemand sich entscheidet, mehr zu verbrauchen, noch kleiner werden, wenn jemand Gas spart.

Die Gaspreisbremse ist kein Preisdeckel

Dieses Prinzip ist am einfachsten am Beispiel der Haushalte und kleinen Gewerbetreibenden zu erklären. Der Staat zahlt ihnen erstmals im Dezember und dann monatlich von März 2023 bis April 2024 eine Summe auf das Konto beim Energieversorger - unabhängig vom aktuellen Verbrauch.

Wie hoch die Summe ist, bestimmen allein die individuelle Jahresverbrauchsprognose aus dem September 2022 und der Gastarif. Beides zusammen gibt wieder, wie betroffen Gasverbraucher von der Krise sind: Wer in einem unsanierten Haus wohnt und daher einen hohen prognostizierten Verbrauch hat oder bei wem die Preise stark gestiegen sind, der braucht eben mehr Entlastung.

Entscheidend ist, dass die Menschen das Geld auch dann bekommen, wenn sie Gas sparen. Jemand, der also lieber etwas weniger Gas verbraucht und das Geld für andere Dinge ausgeben möchte, kann das tun. Diejenigen, die nicht auf Gas verzichten wollen, können die Summe aber auch weiter für Gas verwenden.

So befähigt die Gaspreisbremse zwar zur Deckung eines Grundverbrauchs - sie ist aber gerade keine Subvention des Verbrauchs selbst und auch kein Preisdeckel. Verbraucher können frei entscheiden, was sie mit der monatlichen Zahlung machen. Damit teures Gas zu kaufen ist nur eine von vielen Optionen. Dieses Prinzip ist Leitgedanke der Gaspreisbremse: Wahlfreiheit ermöglichen, aber Anreize zum Gassparen erhalten.

Weiterverkauf ermöglichen, um Verschwendung zu verhindern

Für die Industrie hat die Kommission einen separaten Mechanismus vorgeschlagen. Auf den ersten Blick scheint dieser Vorschlag von diesem Prinzip "Sparanreiz erhalten" abzuweichen: Hier ist tatsächlich eine begrenzte Preissubvention vorgesehen. Allerdings soll es diesen Großverbrauchern erlaubt sein, einmal gekauftes Gas weiterzuverkaufen, wobei Unternehmen die Gasprämie nur in Anspruch nehmen dürfen, wenn der Standort erhalten bleibt.

Dass subventioniertes Gas nicht selbst verbraucht werden muss, erscheint vielleicht zunächst unfair. Warum sollte der Staat Gas für Unternehmen verbilligen, das sie am Ende nicht selbst nutzen und sogar zu höheren Preisen weiterverkaufen? Die Möglichkeit, Gas wieder zu verkaufen, sorgt dafür, dass das Gas dort genutzt wird, wo es den höchsten Mehrwert erzeugt. Wer leichter auf Gas verzichten kann - sei es, weil er einen anderen Energieträger nutzt, sei es, weil seine Wertschöpfung aus dem Gas kleiner ist -, der wird das Gas lieber verkaufen. So gelangt das knappe Gas dorthin, wo es den größten Mehrwert schafft.

Die Gasprämie wird so zur doppelten Prämie gegen die Deindustrialisierung: Sie schützt besonders wertvolle Produktion sofort. Gleichzeitig helfen die Verkaufserlöse den Unternehmen, die ihre Produktion zurückfahren, Einnahmenausfälle besser zu überstehen. Die Gaspreisbremse ermöglicht so einen geringeren Gasverbrauch, bei gleichzeitigem Erhalt der Produktionsstandorte.

Träte wegen zu geringer Einsparungen eine Gasmangellage ein, müssten alle Unternehmen pauschal weniger Gas verbrauchen. Eine solche Zwangsabschaltung würde zu weitaus größeren wirtschaftlichen Verwerfungen in den Lieferketten führen. Die Handelbarkeit minimiert damit die volkswirtschaftlichen Folgen der Gasknappheit, was letztlich allen - Arbeitnehmern, Unternehmen und Verbrauchern - zugutekommt.

Ohne effektive Weiterverkaufsoption bliebe die Gaspreisbremse eine Subvention, die am Ende in Preissteigerungen verpufft. Der Vorschlag der Gaskommission vermeidet dies, sodass alle Gasverbraucher, klein und groß, eine finanzielle Entlastung erhalten, die sich an ihrer Belastung orientiert. Die Entlastung ist dazu aber, notwendigerweise, unabhängig vom aktuellen Verbrauch selbst.

Christian Bayer ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Bonn.

Lion Hirth ist Professor für Energiepolitik an der Hertie School.

Matthias Kalkuhl ist Professor für Klimawandel und Wirtschaftswachstum an der Universität Potsdam.

Karen Pittel ist Professorin für Volkswirtschaftslehre und Leiterin des Ifo-Zentrums für Energie, Klima und Ressourcen.

Alle vier waren Mitglied der Gaskommission.

Darauf kommt es bei der Umsetzung der Vorschläge der Gaskommission an.