Gastbeitrag

Das Lohngefälle bei Studentenjobs

Paul David Boll, Lukas Mergele und Larissa Zierow erläutern verschiedene Erklärungsansätze für das Verdienstgefälle zwischen Männern und Frauen, das bereits vor dem Berufseinstieg auftritt.


Quelle:
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Analysen zu den Lohnunterschieden zwischen Männern und Frauen beziehen sich meist auf das spätere Berufsleben. Doch schon Studenten verdienen etwas mehr als Studentinnen in Nebenjobs.

Die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern ist ein gesellschaftlich und wissenschaftlich viel beachtetes Phänomen. Am 7. März, nach Verstreichen von 18 Prozent des Jahres 2022, findet der diesjährige "Equal Pay Day" in Deutschland statt und veranschaulicht damit die Lücke von 18 Prozent zwischen den durchschnittlichen Bruttostundenverdiensten von Frauen und Männern, die zu den größten unter den OECD-Ländern zählt. Die sozialwissenschaftliche Forschung bietet verschiedene Erklärungen für dieses Verdienstgefälle. Viele Erklärungen betreffen die Karriereentwicklung nach dem Berufseinstieg: Beispielsweise beeinträchtigen Familiengründungen die Karrieren von Müttern weiterhin deutlich stärker als die von Vätern.

Dass solche Faktoren zur Erklärung der Lohnlücke allerdings nicht ausreichen, zeigen Forschungsergebnisse, die schon in den Einstiegsgehältern deutscher Hochschulabsolventen signifikante Geschlechterunterschiede dokumentieren. Auch nach Berücksichtigung vieler lohnrelevanter Faktoren wie Studienrichtung und -erfolg bleibt eine Lücke von fünf bis zehn Prozent bestehen. Das wirft die Frage auf, ob derartige Unterschiede möglicherweise schon vor dem Berufseinstieg auftreten. Unsere Studie liefert erstmals empirische Evidenz dafür, dass Studentinnen mit Nebenjobs im Durchschnitt schon weniger je Stunde verdienen als ihre männlichen Kommilitonen.

Anhand von Daten zu knapp 20 000 Studierenden deutscher Hochschulen im Zeitraum 2003 bis 2016, erhoben in einer regelmäßig stattfindenden Studierendenumfrage, führten wir umfangreiche Analysen zu Erwerbstätigkeit und Entlohnung durch. Diese Stichprobe besteht aus Vollzeitstudierenden im ersten Bachelor- oder Masterstudium, die neben dem Studium geringfügig beschäftigt sind. Der Großteil dieser Beschäftigungen sind Stellen als studentische oder wissenschaftliche Hilfskräfte an Hochschulen (32 Prozent) oder als Aushilfen, zum Beispiel in der Gastronomie oder dem Handel (42 Prozent); weniger üblich sind Tätigkeiten als Nachhilfelehrer (5 Prozent), Tätigkeiten, die einen Berufs- oder Studienabschluss erfordern (6 Prozent), und selbständige Tätigkeiten (5 Prozent). Insgesamt arbeiteten im Jahr 2016 etwa 68 Prozent aller Studierenden neben dem Studium, mehr als in jedem anderen europäischen Land. Die weite Verbreitung studentischer Erwerbstätigkeit in Deutschland ist zum Teil vermutlich auf mangelnde finanzielle Unterstützungsangebote zurückzuführen: Abgesehen von der öffentlichen Bafög-Förderung, von der weit weniger als 20 Prozent der deutschen Studierenden profitieren, ist die Verfügbarkeit von Studienfinanzierungsquellen vergleichsweise gering. Gleichzeitig legt der hohe Anteil arbeitender Studierender nahe, dass studentische Erwerbstätigkeit und die daraus gewonnene Berufserfahrung ökonomisch und gesellschaftlich bedeutsam sind.

Eine erste Betrachtung der Lohndaten ergab, dass der durchschnittliche Nettostundenlohn der Studierenden bei rund 10 Euro liegt, wobei der Stundenlohn der Studentinnen etwa 6 Prozent unter dem der Studenten liegt. Solch eine einfache Differenz zwischen Durchschnittslöhnen wird in der Wissenschaft als "unbereinigter Gender-Pay-Gap" bezeichnet, da hierbei Geschlechterunterschiede in lohnrelevanten Faktoren nicht in die Rechnung einfließen. Berücksichtigt man eine Reihe von demographischen und sozioökonomischen Merkmalen sowie die Studienrichtung und Art des Nebenjobs, ergibt sich ein "bereinigter Gender-Pay-Gap" von 4,1 Prozent, der sich nicht durch Unterschiede in diesen Variablen erklären lässt. Auch die Berücksichtigung von Persönlichkeitsmerkmalen und schulischen Abschlussnoten ändert nichts an diesem Ergebnis.

Ein bedeutender Faktor für die Erklärung der unbereinigten Lohnlücke ist die Art der Nebentätigkeit. In den beiden größten Jobkategorien besteht ein deutliches Geschlechterungleichgewicht: Der Anteil von studentischen und wissenschaftlichen Hilfskräften im Hochschulwesen ist unter arbeitenden Studenten etwa 8 Prozentpunkte höher als unter Studentinnen. Noch größer ist der Unterschied in umgekehrter Richtung bei Aushilfsjobs wie Kellnern, Verkauf oder Büroassistenz. Diese Unterschiede lassen sich jeweils etwa nur zur Hälfte durch andere Variablen erklären, die mit Abstand größte Rolle spielt dabei die Studienrichtung. Naturwissenschaftler, Ingenieure und Medizinstudierende üben seltener Aushilfstätigkeiten aus, arbeiten dafür häufiger als Hilfswissenschaftler in Lehre und Forschung. Zweierlei Nachteile ergeben sich für Studentinnen: Erstens sind Aushilfstätigkeiten im Durchschnitt etwa 5 Prozent schlechter bezahlt als Hilfskraftstellen an Hochschulen, und zweitens besteht auch innerhalb der Aushilfstätigkeiten ein deutlich größeres Lohngefälle zwischen Frauen und Männern.

Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sind Ungleichgewichte in der Geschlechterverteilung in vielen Berufen ein maßgeblicher Faktor in der Erklärung des Gender-Pay-Gaps. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass ähnliche Unterschiede schon in den Nebenjobs von Studierenden bestehen. Zusätzlich zu den unmittelbaren Lohnauswirkungen können solch frühe Arbeitserfahrungen Einfluss auf spätere Karrieren nehmen. So könnten Ungleichgewichte auf dem studentischen Arbeitsmarkt zu strukturellen Ungleichgewichten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt beitragen. Ein plausibles Beispiel dafür sind akademische Karrieren: Anstellungen als studentische oder wissenschaftliche Hilfskräfte ebnen oft den Weg in weiterführende Studiengänge und Promotionsprogramme. Das deutliche Geschlechterungleichgewicht in diesem Bereich könnte somit eine Erklärung für den über die Stufen der akademischen Karriereleiter stetig sinkenden Frauenanteil sein: Im Jahr 2020 machten Frauen laut dem Statistischen Bundesamt 52,5 Prozent der Studienanfänger, 45,1 Prozent der Promotionen, 35,1 Prozent der Habilitationen und 26,3 Prozent der Professoren an Universitäten und Fachhochschulen aus.

Paul David Boll ist Doktorand der Volkswirtschaftslehre an der University of Warwick in Coventry.

Lukas Mergele ist Postdoc am Ifo-Zentrum für Bildungsökonomik in München.

Larissa Zierow ist stellvertretende Leiterin des Ifo-Zentrums für Bildungsökonomik.