Aufsatz in Zeitschrift

Rentenpaket der Großen Koalition: Sicher und gerecht oder unsolide und nicht finanzierbar?

Robert Fenge, Jochen Pimpertz, Tim Köhler-Rama, Reiner Holznagel, Felix Welti, Martin Werding, Uwe Fachinger, Karl-Heinz Paqué
ifo Institut, München, 2019

ifo Schnelldienst, 2019, 72, Nr. 02, 05-31

Im November 2018 verabschiedete der Bundestag ein Rentenpaket, das Anfang Januar 2019 in Kraft trat und für Vertrauen in die Stabilität der Rente sorgen soll. Festgelegt wurde unter anderem eine »doppelte Haltelinie« – die bis 2025 gelten soll –, für das Rentenniveau einerseits und für den Beitragssatz andererseits. Zudem wurde eine Kommission zur Zukunft der Rente aus Vertreterinnen und Vertretern der Sozialpartner, Politik und Wissenschaft, berufen, die bis zum März 2020 Vorschläge erarbeiten soll, wie das System auf Dauer stabilisiert werden kann. Denn die wichtige Frage, was mit der Rente nach 2025 passiert, ist offen. Ist das Paket gerecht und bezahlbar, oder geht die Reform zu Lasten der jungen Generation? Robert Fenge, Universität Rostock, bezeichnet das Rentenpaket der Großen Koalition als »mutlos und kurzsichtig«. So traue sich keine der Parteien an dringende Reformschritte, wie beispielsweise die Erhöhung des Renteneintrittsalters heran. Zudem sei im Rentenpaket keine Reform der staatlich geförderten kapitalgedeckten Renten enthalten. Jochen Pimpertz, Institut der deutschen Wirtschaft, Köln, diskutiert, ob die gegebenen sozial- und rentenpolitischen Ziele der Großen Koalition richtig adressiert sind oder in anderen Subsystemen der sozialen Sicherung effektiver und effizienter verfolgt werden könnten. Die Gesetzliche Rentenversicherung sei mit dem Anspruch einer wirksamen Armutsprävention überfordert. Nach Ansicht von Tim Köhler-Rama, Hochschule des Bundes für Öffentliche Verwaltung, löst das Rentenpaket 2018 keine Probleme. Für eine Realisierung des Ziels der Vermeidung von Altersarmut bedürfe es effektiver Umverteilungsmechanismen innerhalb des Rentensystems zugunsten vulnerabler Gruppen wie Erwerbsgeminderte, Geringverdiener und Langzeitarbeitslose. Auch sei die Einführung einer Versicherungspflicht für Selbständige überfällig. Reiner Holznagel, Bund der Steuerzahler Deutschland, weist darauf hin, dass eine hohe Bruttorente allein nichts nützt. Das Thema »Besteuerung der Renten« komme in der Diskussion zu kurz, da mittlerweile jeder fünfte Rentner Einkommensteuer zahlen müsse. Felix Welti, Universität Kassel, betont, dass die Verknüpfung der Risiken Alter und Erwerbsminderung mit Nachteilen verbunden sei und besonders bei der Erwerbsminderungsrente noch erheblicher Reformbedarf bestehe. Martin Werding, Universität Bochum, sieht in der doppelten Haltelinie für Rentenniveau und Beitragssatz sogar eine direkte Gegenwirkung zu langjährigen Reformtrends. Nach Meinung von Uwe Fachinger, Universität Vechta, bieten die im Rentenpaket enthaltenen Maßnahmen keine langfristige Sicherheit. Der eingeschlagene Weg führe weiter fort von einer leistungsfähigen umlagefinanzierten Rente, die dem Ziel eines adäquaten Einkommensersatzes gerecht werden könnte. Karl-Heinz Paqué, Universität Magdeburg, vermisst bei der Rentenreform die Gerechtigkeit zwischen den Generationen, da die beschlossenen Maßnahmen zugunsten der Älteren und zulasten der Jüngeren gehen.

Schlagwörter: Gesetzliche Rentenfinanzierung, Rentenpolitik, Altersvorsorge, Deutschland
JEL Klassifikation: H550, J260

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ifo Institut, München, 2019